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“Basically, I'm for anything that gets you through the night - be it prayer, tranquilizers or a bottle of Jack Daniels.”

“Critics don't bother me because if I do badly, I know I'm bad before they even write it. And if I'm good, I know I'm good. I know best about myself, so a critic doesn't anger me.”

“The thing that influenced me most was the way Tommy played his trombone. It was my idea to make my voice work in the same way as a trombone or violin - not sounding like them, but "playing" the voice like those instrument- alists.”
Sinatra´s "Ladies-Album" - ein Fragment

Meine sehr verehrten, nein hochverehrten Damen und Herren: Immer wieder im Laufe von Sinatras Karriere wurden Pläne für Alben gemacht, die dann letztlich aus diesen oder jenen Gründen doch nicht realisiert wurden. Von diesen abgebrochenen Projekten vermutlich am weitesten fortgeschritten war der Plan, ein Album mit „Ladies“-Songs aufzunehmen.

Anno 1976/77 in Angriff genommen, sollte aus dem Projekt ursprünglich gar ein 3-LP-Set hervor- gehen, welches ausschließlich Nummern beinhalten sollte, die Frauennamen im Titel führen. Zumindest theoretisch eine sehr gute Idee und in jedem Fall eine Annäherung an den alten Concept-Album-Gedanken, den Sinatra in den Jahren zuvor ziemlich vernachlässigt hatte - zuletzt trug Sinatra mit dem 1970 veröffentlichten Album
Watertown diesem Gedanken Rechnung. Watertown jedoch wuchs sich zu einem gewaltigen kommerziellen Flop aus
und schon aus diesem Grunde dürfte der Barde lange Jahre gebraucht haben, um sich zumindest theoretisch erneut an ein Concept-Album zu wagen

Letztendlich wurde jedoch auch das „Ladies“-Projekt fallengelassen. Das „Vermächtnis“ der Sessions für dieses Album besteht aus den folgenden in Los Angeles aufgenommenen Titeln, welche Sinatra in überaus unterschiedlicher stimmlicher Form zeigen (Aufnahmedaten der
einzelnen Songs jeweils in Klammer gesetzt):

Nancy (9.3.1977)
Emily (9.3.1977)
Sweet Lorraine (14.3.1977)
Linda (14.3.1977)
Barbara (14.3.1977)

Nach Abbruch des Projektes - über die Gründe wird weiter unten noch zu spekulieren sein - wurden diese Songs für lange, lange Jahre in den Archiven des Labels Reprise abgelegt. Man stelle sich ein spinnwebenverhangenes dunkles Kellergewölbe vor, in das mangels Fenster kein Licht dringt und welches jahrelang kein Mensch betritt. Dorten also sammelte sich der Staub von Jahren auf den vermutlich in handbeschrifteten Kartonhüllen lagernden Bändern, welche vermut- lich gänzlich der Vergessenheit anheimgefallen wären, wäre da nicht im Jahre 1990 der funfund- siebenzigste Geburtstag Sinatras gewesen, welcher freilich geradezu danach rief, kommerziell ausgeschlachtet zu werden. Flugs machte man sich an das Zusammenstellen eines Quer- schnitts der bisherigen Arbeiten des Barden für das Label Reprise, wobei man als zusätzlichen Kaufanreiz freilich die Inkludierung diversen bislang unveröffentlichten Materials ins Auge fasste.
Im Zuge der Durchforstung der Archive stieß man dann wohl auch auf die Bänder mit den schon halb oder ganz vergessenen Ergebnissen des vorzeitig abgebrochenen "Ladies"-Projektes.

Drei Titel immerhin erschienen den Verantwortlichen für eine Veröffentlichung tauglich zu sein und somit erschienen Nancy, Emily sowie Sweet Lorraine erstmals im Jahre 1990 auf dem durchaus empfehlenswerten 4-CD-Set The Reprise Collection. Die Nummern Linda und Barbara hingegen erschienen den für die Kompilation Verantwortlichen offenbar doch zu dürftig, sie mussten weiterhin ihr Dasein in den finsteren Gewölben des Archives fristen, bis schließlich anno 1995 auch ihr Tag kommen sollte: Zum achtzigsten Geburtstag des Sängers brachte
man eine kolossale 20-CD-Edition seines Reprise-Schaffens, The Complete Reprise Studio Recordings betitelt, heraus. Je nun, wenn man schon die Bezeichnung Complete im Titel führen wollte, ergab sich hieraus naturgemäß und zwangsläufig die Verpflichtung, auch sämtliche inzwischen längst vergriffenen Single-Einspielungen sowie alles weitere bislang unveröffentlichte Material in das Monster-Paket zu packen, also auch die beiden noch unter Verschluss gehalten- en "Ladies"-Songs Linda und Barbara. Erlauben Sie mir gütigst die Anmerkung, dass die Complete Reprise Studio Recordings nicht ganz halten, was der vollmundige Titel vespricht:
Es gibt immer noch eine ganze Reihe von Songs, die nicht in dieser Gesamtschau enthalten sind und weiterhin in den Archiven schimmeln - teilweise freilich handelt es sich dabei auch um Songs deren Veröffentlichung Sinatra zu Lebzeiten untersagte, teilweise auch um Alternativ-
Versionen bekannter Stücke, teils auch um verschollenes Material, welches allen Bemühungen zum Trotze nicht aufzufinden war.

Arrangiert wurden die fünf tatsächlich realisierten Titel des "Ladies"-Projektes übrigens von Nelson Riddle, der auch für die gesamte Orchestrierung des geplanten Albums vorgesehen war.

Meine sehr verehrten Damen und Herren: Die Erfolgsaussichten dieses nie zustande gekomm- enen Albums schätze ich nicht sonderlich hoch ein, Mitte der Siebziger Jahre waren die Zeiten, in welchen ein neues Sinatra-Album vorderste Charts-Plätze hätte belegen können, freilich längst vorbei.

Das Konzept an sich hätte auf ein kommerziell und künstlerisch ersprießliches Ergebnis hoffen lassen, wäre es funfzehn Jahre früher realisiert worden. Neunzehnhundertundsiebenundsiebenzig hingegen war das künstlerische Ablaufdatum des Sängers bereits überschritten. Je nun, das Konzept an sich mag etwas dünn erscheinen, aber es wäre möglich gewesen, etwas daraus
zu machen - etwa indem man eine Hälfte des Albums mit schnellen Stücken, die andere mit Balladen befüllt hätte, um innerhalb des Verlaufes Stilbrüche zu vermeiden. Ein Problem sehe ich allerdings darin, dass Sinatra die wichtigsten Songs des American Songbook, welche Frauennamen im Titel haben, allesamt zu einem früheren Zeitpunkt schon einmal aufgenommen hatte: Sheila, Laura, Stella By Starlight, Tina, Nancy und wie sie alle heißen mögen. Somit wäre der Vergleich mit den alten Aufnahmen unausbleiblich gewesen und höchstwahrscheinlich sehr zu Ungunsten des alten Barden ausgefallen, dessen gesangliche Fähigkeiten Mitte der Siebziger Jahre immens nachgelassen hatten. Neue Songs schreiben zu lassen wäre eine Alternative gewesen, aber wirklich gute Songs können nicht am Fließband und auf Zuruf geschrieben werden - sie entstehen einfach. So gesehen wäre eine Auftragsarbeit wohl nicht unbedingt
das beste Mittel der Wahl gewesen.

Führt man sich die wenigen damals gemachten Aufnahmen zu, so wird einem recht schnell klar, wie sehr Sinatra zu dieser Zeit offenbar von seiner Tagesverfassung abhängig war - gelang ihm an einem Aufnahmetag ein Titel halbwegs passabel, so lieferte er einige Tage später bei der nächsten Aufnahmesitzung ein absolutes Debakel ab. Unter solchen Voraussetzungen ein Album zu realisieren ist verständlicherweise ausgesprochen schwierig. Womöglich war dies letztendlich auch der Hauptgrund, der zum Abruch des Projekts geführt hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, besehen wir uns die Stücke, die damals tatsächlich eingespielt wurden:

Nancy (9.3.1977)
Emily (9.3.1977)
Sweet Lorraine (14.3.1977)
Linda (14.3.1977)
Barbara (14.3.1977)

Nancy
Dieser Titel besticht durch ein gelungenes Arrangement von Meister Riddle und sogar der bejahrte Barde zeigte sich am Aufnahmetag ausnahmsweise in durchaus annehmbarer, wenn freilich auch altersgemäßer stimmlicher Verfassung. In Ansätzen durchaus erquickend und
hätte sich diese Form durch ein ganzes Album gezogen, hätte sich Sinatra für dies Alterswerk zumindest nicht zu schämen müssen.

Emily
Auch hier stimmt das Arrangement, auch hier (die Aufnahme entstand am selben Tag, an welchem auch Nancy eingespielt wurde) erbringt Sinatra eine zumindest akzeptable Leistung,
die stimmlich wundersamerweise im Großen und Ganzen gar nicht einmal so weit unterhalb
der Erst-Aufnahme des Songs (1964, für das Album
Softly As I Leave You) liegt. Freilich, die beiden Versionen unterscheiden sich nicht signifikant, sodass die Notwendigkeit der Neuauf- nahme hinterfragt werden darf (vielleicht sogar muss).

Sweet Lorraine
Nelson Riddle versorgte Sinatra mit einem ausgesprochen jazz-lastigen Arrangement, welches mir erhebliches Pläsier bereitet. Des Barden Stimme jedoch befand sich leider an diesem Aufnahmetag einmal mehr in einem entsetzlichen Tief, hier blieb nur mehr ein einziges Knarren, Knarzen und Bröckeln, wo, meine sehr verehrten Damen und Herren, blieb damals der leicht-
füßige Swing, welcher Sinatras einstige Swing-Titel so ausgesprochen bekömmlich zu machen pflegte? Dahin, dahin... oh Jammer...

Linda
Nelson Riddle arrangierte diesen Song locker und leicht swingend und brachte durch die Ver- wendung eines E-Pianos Abwechslung in den Sound. Sinatra allerdings ist in schier fürchter- licher stimmlicher Verfassung, weit, weit schlechter als noch wenige Tage zuvor bei den Auf- nahmen zu Nancy und Emily, des Barden Stimme klingt müde, schwach und weinerlich. Die Stimme ist steif, unbeweglich und regelrecht eingerostet. - Alles in Allem die wohl schlechteste Vocal- Performance Sinatras bis zu diesem Zeitpunkt. Zum Verzweifeln...

Barbara
Diese offenbar seiner vierten Ehefrau gewidmete Nummer erweist sich als echte Schlaftablette und sollte keinesfalls während einer Autofahrt gehört werden. Dieser unerfreuliche Eindruck wird durch Sinatras auch hier wieder ausgesprochen zerfranst und müde wirkende Stimme noch gesteigert. Was offenbar ein Loblied an die Dame werden sollte, wird mit ausgesprochen wenig stimmlicher Überzeugungskraft saft- und kraftlos und mit teilweise herzlich wenig Emotion darge- boten. Fünfzehn Jahre zuvor wäre aber auch aus diesem an sich eher mittelmäßigem Song einiges herauszuholen gewesen, wozu der alte Sinatra aber freilich nicht mehr imstande war.

Die auf soeben oben erstellter Expertise fußende Vermutung, das Projekt sei vorzeitig abge- brochen worden, weil sich die Stimme Sinatras zu diesem Zeitpunkt als in einfach zu unerfreu- lichem Zustande befindlich erwies, muss zwangsläufig jedem mit der Materie auch nur halbwegs vertrauten Sinatra-Hörer einleuchten - daher ist es wohl auch nicht allzu vermessen, wenn ich eben angeführte Umstände als die letztlich ausschlaggebende Ursache für den vorzeitigen Abbruch des Projektes benenne. Als sich Sinatra stimmlich einige Zeit später, um genau zu sein, anno 1978 und 1979, wieder in weitaus besserem Zustande befand, war man jedoch bereits mit dem Projekt
Trilogy beschäftigt, sodass dem "Ladies"-Projekt endgültig farewell gesagt wurde.

Dies war, wenn Sie mir abschließend diese Bemerkung freundlichst gestatten wollen, ein
weiser Ratschluss, erwies sich doch Trilogy als ein künstlerisch und auch kommerziell
weitaus ergiebigeres Projekt, als es das "Ladies"-Album je hätte werden können. Aus
diesem Grunde, wertes Publicum, wollen wir den Verlust des "Ladies"-Projektes nicht
allzu sehr beweinen, sondern uns an der weitgehend durchaus gelungenen Platte Trilogy
erfreuen - der einzigen als gelungen zu bezeichnenden Produktion der Post-Retirement-
Phase, welche - obgleich immerhin zwanzig Jahre während - nur sechs Studio-Produktionen
hervorbrachte - erstaunlich wenig, wenn man die dichtgedrängte Folge neuer Alben in den
Jahrzehnten zuvor bedenkt. In diesem Sinne also, meine lieben Besucherinnen und Besucher,
wie immer ganz in diesem Sinne... mögen Sie nie auf Wache schlafend anbetroffen werden
and may all your Christmases be white.
 
Songs im Vergleich:

If You Are But A Dream

14. November 1944 (Columbia)
11. Dezember 1957 (Capitol)


Die Columbia-Studio-Version bringt uns sehr überzeugend
all jene Vorzüge, mit denen Sinatras Stimme in der Früh- zeit seiner superben Karriere ausgestattet war, zu Gehör. Einziger Wermutstropfen ist hier vielleicht die Aufnahme- qualität, der Dynamik der lauteren Passagen scheinen hier Mikrofon und/oder Tontechniker nicht so ganz gewachsen zu sein. Für Sinatras Interpretation gilt hier aber (wieder einmal): Columbia at its best! Einmal mehr möchte ich in diesem Zusammenhang Axel Stordahl hochleben lassen – einen wunderbaren Läufer hat er hier für Sinatra ausgelegt, auf dass dieser mit der ihm damals zu Eigen gewesenen Leicht- füßigkeit darüberschreite – Hurra! Die Film-Version (nach- zuhören in der Box Sinatra In Hollywood) gefällt mir persönlich in mancher Hinsicht vielleicht sogar noch einen Deut besser: Sinatra bringt das Lied hier meiner Meinung nach am besten: romantisch mit einem Schuss Trauer, ohne den stimmlichen Bizeps mehr
als unbedingt notwendig an- schwellen zu lassen. Ich halte auch die kurze Laufzeit für erquicklicher als etwa die Dehnung auf fünf Minuten,
wie sie später bei der Capitol- Version praktiziert wird. Diese Version hier ist wesentlich „schlanker“ und wirkt auf mich natürlicher.

Die Capitol-Studio-Aufnahme bringt naturgemäß die beste Tonqualität und besticht durch Sinatras Gesang, der Sänger macht hier ausgiebig Gebrauch von den Schattierungen und Nuancierungen, die seinen Gesang so einzigartig machen. Dennoch werde ich gerade von dieser Version emotional am wenigsten berührt, was ich hauptsächlich auf die Orchest- rierung zurückführe. Ohnehin kein Freund der Klassik, ent- steht bei mir angesichts des Arrangements von Nelson Riddle der Eindruck, hier wollte man ein verhältnismäßig und vor allem von der Textaussage eher durchschnittlich beein- druckendes Lied gewaltsam
in Richtung „Kunst“ drängen, leider mit dem Ergebnis, dass dieser eher einfache Song durch den (über)langen Orchesterteil für meine klassikungewohnten Ohren hoffnungslos überfrachtet wirkt. Die Romantik der Columbia- Version weicht hier einer überladenen Dramatik, die
am Hörer – an mir zumindest – vorbeigeht, ohne wirklich Ein- druck zu machen. Virtuos,
aber nicht berührend.

Bei einer Reihung würde
ich die drei mir bekannten Versionen wie folgt platzieren: Platz Eins mit minimalem Vor- sprung die Columbia-Studio- Aufnahme, knapp dahinter die Film-Version und dann mit einigen Schritten Abstand die mir letztlich doch etwas zu schwerfällige Capitol-Version.
 
Der Prinzipal spricht:

Oh meine sehr verehrten Damen und Herren, nicht wenige unter Ihnen - davon
bin ich zumindest felsenfest überzeugt - vermögen auch
dem Jazz einiges abzugewinn- en. In diesem Falle möchte ich Ihnen dringendst anempfehlen, auch die Unterabteilung JAZZ mit Ihrem Besuch zu beehren. Dorten nämlich finden Sie allerlei Wissenswertes zum Jazz ganz im Allgemeinen, sowie auch Portraits von einigen wichtigen Musikern
und auch Rezensionen von diversen Jazz-Alben. Wertes Publicum, ich darf Sie also ganz in diesem Sinne bitten:
JAZZ