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“Basically, I'm for anything that gets you through the night - be it prayer, tranquilizers or a bottle of Jack Daniels.”

“Critics don't bother me because if I do badly, I know I'm bad before they even write it. And if I'm good, I know I'm good. I know best about myself, so a critic doesn't anger me.”

“The thing that influenced me most was the way Tommy played his trombone. It was my idea to make my voice work in the same way as a trombone or violin - not sounding like them, but "playing" the voice like those instrument- alists.”
BING CROSBY:
Feels Good, Feels Right

Rezension zur Verfügung gestellt von F.X. Huber

Im Juli und August 1976 fand sich der Groaner in den Decca Studios zu London ein, um die Titel für Feels Good, Feels Right aufzunehmen; es sollte sein drittletztes Album werden.

Die Programmliste zeigt bereits: Man hat sich Großes vorgenommen, man schöpft aus den Vollen, nämlich den großen Balladen der Vergangenheit. Dabei wird nun musikalisch ein anderer Weg eingeschlagen als von Pete Moore bei UA. Für das London-Label besorgte Alan Cohen die Orchestrierung, und er lässt sich auf keine Experimente ein, sondern arrangiert ganz im klass- ischen Stil mit Streichern, Piano und allem, was dazu gehört, um den Geist der Vierziger und Fünfziger wiederaufleben zu lassen und dieses Album zu einem authentischen Rückblick auf
das Leben des ersten wirklichen großen Pop-Sängers (die Betonung liegt auf „singen“) der Geschichte werden zu lassen.

Das Thema wird bereits mit dem Titelsong umrissen: „It’s been a while since I’ve been up
and about“ … Mit seinem „funky groove“ stellt Feels Good, Feels Right einen progressiveren Moment des Albums dar. Die Suggestion, dass Crosby auch (nach damaligem Stand der
Dinge) modern funktioniert, klappt gut, wird allerdings während der folgenden Titel bis auf eine Ausnahme nicht mehr ausgebaut. Wer Crosby von dieser Seite hören will, den verweise
ich nochmals auf das UA-Set.

Wir tauchen also ein in die Vierziger Jahre und lassen uns von sanften Streicherklängen entführen. Once In A While ist ein Titel, den selbst der große Frank Sinatra in seiner Zeit als Sänger beim Tommy Dorsey Orchestra aufgeführt hatte. Eine Aufnahme davon aus dem Jahre 1940 befindet sich auf der Zugaben-CD der RCA-Box
The Song Is You. Crosbys Interpretation strotzt vor Subtilität – was klingen mag wie ein Fall fürs Stilblüten-Album wird mir jeder bestätigen, der es gehört hat – er beherrscht die Nuancen des Leisen wie kaum ein anderer (Sinatra erzeugte seine Glaubwürdigkeit bei Balladen auf einem anderen Wege, wie wir wissen).

Während wir noch in Erinnerungen schwelgen, überrascht uns der nächste Song sowohl mit einem Solo-Einsatz ohne Orchester als auch einem Aha-Effekt. Wer sich an As Time Goes By versucht, muss aus der Mutter aller Love Songs etwas Besonderes machen – kann der alte Herr dieser Aufgabe überhaupt gewachsen sein? Zunächst einmal ist der Gesang absolut fehlerlos, jeder Ton passt perfekt. Das allein wäre aber insbesondere bei Bing gar nicht besonders erwähnenswert. Seine legendäre Fähigkeit, eine Aufnahme auf Anhieb fehlerlos hinzubekommen hat ihm nicht nur den Spitznamen „One-Take Crosby“ (was heute wie eine Übertreibung klingt, darf durchaus wörtlich verstanden werden: wenn Crosby einen zweiten oder gar einen dritten Take gebraucht hat, war das schon fast kurios), sondern auch reichlich Gelegenheit zum Golfen oder Angeln während der eigentlich für Proben eingeplanten Zeit eingetragen. Gelernt ist gelernt, und diese Routine hat ihn auch im hohen Alter von 73 Jahren nicht verlassen (dem Sinatra-Fan schießen an dieser Stelle Worte wie Teleprompter und Black-Out in den Kopf). Die Aufnahme von As Time Goes By ist nicht nur fehlerlos, sie ist geradezu mustergültig. Im direkten Vergleich zu Sinatras Stordahl-Fassung kommt sie etwas schneller und swingender daher, der Schwermut weicht und es klingt auf eine realistischere Weise nach Bar-Ballade. Dazu kommt Crosbys unvergleichlicher Bariton, vor allem in den tieferen Lagen, der seine Version zu der Version macht, die man auf ewig mit dem Lied verbindet. Bevor mir einige Lobhudelei vorwerfen, nehme ich an dieser Stelle schon vorweg, dass es sich hierbei um den absoluten Höhepunkt des ganzen Albums handelt und ich mich nicht im Verlaufe der Rezension in noch dramatischeren Floskeln ergehen werde.

Die Stimmung schlägt um, es ertönen die von Crosby so geschätzten Dixie-Klänge zu einem Mack & Johnson-Klassiker aus dem Musical Runnin’ Wild (1923). Die Nummer Old Fashioned Love hatte bereits in den Fünfziger Jahren durch Art Tatum und Frankie Laine eine Renaissance erlebt. Crosby versucht nicht, einen neuen Superlativ hinzulegen, was dem frohen, leichten Song auch gar nicht gut getan hätte. Schön anzuhören ist es allemal, ob des gelungenen Retro- Arrangements vermittelt es noch dazu ein Gefühl dafür, wie sich die Musik der Goldenen Zwanziger in kristallklarem Stereo angehört hätte.

Nun folgt die einzige richtige Pop-Ballade der Zusammenstellung mit Time On My Hands.
Ein recht bekanntes Stück, das Crosby keine riesige Interpretationsfähigkeit abverlangt sondern mehr aus dem Bekanntheitsgrad der Melodie und der Stimme des Sängers lebt.

Es bleibt besinnlich, wenn Bing Barbra Streisands The Way We Were anstimmt, wiederum eine der ganz großen Balladen, eingespielt zu einem Arrangement, das so zeitlos anmutet, dass es erst gestern aufgenommen worden sein könnte. Der Song wird auch heute noch mit schöner Regelmäßigkeit gecovert; das zeigt, dass er so etwas wie ein Standard unter den Balladen geworden ist. Der Bingle stellt mit einer besonders sanften Wiedergabe einmal mehr unter Beweis, dass er zwar auf vielen Gebieten unterwegs war, aber das Fach der Balladen seine eigentliche Domäne war. The Way We Were dürfte wohl unter den gefühlvollsten Crosby-Songs einen Platz in den Top 20 erhalten und wertet das an sich schon einwandfreie Album zusätzlich auf.

Damit sind wir auch schon halb durch (wie die Zeit vergeht), drehen die Platte einmal um und steigen ein in die B-Seite mit einer kleinen Kuriosität: Bing „erfindet“ den Swing-Rap, und das bereits 1976. Ein für ihn maßgeschneiderter Karriererückblick, in dem –zig Songtitel seiner langen Karriere aufgenommen werden. Wer es genau wissen will, kann hier nachzählen: Zum
Songtext. Obwohl in dem Song auch tatsächlich eine Melodie vorkommt, ist es vor allem Bings Sprechstimme, die eine Sternstunde erlebt. Dieses naturgegebene „gewisse Etwas“ in der Kehle ist einmalig; wäre er nicht Sänger geworden, hätte er Hörspiele aufnehmen sollen. Charakterlich passt diese schnelle Nummer weniger ins traditionelle Konzept, aber das ist insofern verzeihlich, als dass es sich inhaltlich um die schönste Retrospektive seiner Karriere handelt und ihm einen mehr als würdigen Abgang verschafft.

The Night Is Young And You’re So Beautiful würde zugegebenermaßen nicht besonders auffallen, wäre da nicht El Bingo, der diesem seichten Song zu etwas Tiefe verhilft. So ist es
eine Gelegenheit mehr, sich an der angenehmen Stimme des Old Groaners besonders in seinen letzten Jahren zu erfreuen, nicht mehr und nicht weniger. Die Performance ohne Schwächen und Fehler kann man an dieser Stelle noch einmal erwähnen.

Wieder eine Seite des Sinatra-Songbooks wird mit Nevertheless (I’m In Love With You) aufgeschlagen. Das Arrangement unterscheidet sich jedoch von denen, die Sinatra gewählt hat. Zunächst findet sich der Sänger in einer klein gehaltenen Piano-Bar-Umgebung, bei der man unweigerlich an Sinatra und Billy May denken muss. Im Laufe des Songs steigert sich die Begleitung unter Zuhilfenahme von Bläsern zu einem volleren, härteren „Ballad-Swing“, der anmutet wie das, was später Billy May Sinatra auf
Trilogy: The Past bei den Balladen hinterlegt hat (eventuell zum Vergleich It Had To Be You oder I Had The Craziest Dream anhören). Nevertheless in dieser Fassung hätte gut dazu gepasst, ein schöner Song ist es obendrein,
den man immer wieder gern hört.

Melancholie im Dreivierteltakt stellt sich bei The Rose In Her Hair ein. Mit seiner Lagerfeuer- stimmung (Gitarre und Mundharmonika) nimmt es Bezug auf Crosbys regelmäßige Exkurse in die Welt des Country & Western, verzichtet dabei aber auf die fröhliche Grundstimmung die wir noch zu Decca-Zeiten in den Vierzigern mit den Andrews Sisters erlebt haben (prominentestes Beispiel damals: Cole Porters Don’t Fence Me In). Dass Bing seine Country-Experimente in einem Retrospektiv-Projekt wie diesem nicht ausspart kann als Zeichen dafür gewertet werden, dass er zu seinem Lebenswerk in allen Facetten steht.

Und nun zu etwas Besonderem, das allenfalls durch das vorher schon besprochene As Time Goes By übertroffen werden kann. What’s New? kommt aus dem Nichts des unbegleiteten Solo-Gesangs und geht über in eine Piano-String-Bearbeitung, die in ihrer Theatralik Gordon Jenkins alle Ehre gemacht hätte. Sinatras
Only-The-Lonely-Version ist ein großes Kunstwerk, aber ich sage es mit Stolz, Crosby spielt zumindest bei diesem Lied in ein und derselben Liga. Die schon erwähnte Subtilität im Leisen zusammen mit der emotionalen Tiefe, die bei dieser Aufnahme zutage tritt, machen die Crosby-Version so einmalig, dass es ehrlich schwerfällt, im Vergleich zu Sinatra einen Favoriten zu wählen. Ihnen, die Sie um die Qualität von Only The Lonely wissen, ist klar, was für ein hohes Lob ich damit ausspreche. Falls Sie im Plattenladen das Album Feels Good, Feels Right erblicken, lassen Sie diesen Titel anspielen. Man muss es erlebt haben.

Zu unserem Schrecken müssen wir feststellen, dass die Nadel schon fast bis ganz zur Mitte gelaufen ist, wenn wir Irving Berlins When I Leave The World Behind hören. Das Album war doch viel zu kurz. Abschluss-Songs müssen naturgemäß ihre eigene Sentimentalität beinhalten, und an der mangelt es auch hier nicht. Crosby singt kraftvoll wie selten, und die Worte an sich wirken wie ein Abgesang auf seine Karriere. Das Paradoxon ist perfekt, man hört, wie unglaub- lich gut der Crooner klingt, und man wird dennoch auf das Ende eingestimmt: „He’s thinking of the day when he must pass away“. Man ertappt sich bei dem Gedanken: Das ist doch noch viel zu früh – er hat doch noch so viel vor sich, 73 ist doch kein Alter! Doch bevor man noch richtig darüber nachdenken kann, ereilt einen auch schon der theatralische Schluss mit Pauken- und Becken- wirbel und deckt alles zu in einem bombastischen Mantel der Sentimentalität. Was für ein Abgang, man kann sich kaum einen besseren vorstellen. Auch wenn das Material nach Crosbys Tod noch für zwei weitere Alben reichte, Feels Good, Feels Right ist der wirkliche Abschied, ein großartiges Ende. Sozusagen Bings vorweggenommene Version von Sinatras „The Past“ (hätte Frank bloß danach aufgehört). Es ist Crosby zu gönnen, dass er sein eigenes Karriereende so inszenieren durfte, denn der Eindruck, der bleibt, ist phantastisch.

Dieses in mancherlei Hinsicht besondere Album ist auch auf CD erhältlich, erschienen 2004 beim englischen Label Dutton Vocalion. Aufgrund seiner Schlüsselposition am Ende einer großen Karriere, aber auch wegen der hohen Qualität wäre es wünschenswert, wenn es auch außerhalb der Insel einem breiteren Markt zugänglich gemacht würde. Ein Glück, dass es Importe gibt. Wer The Complete United Artists Sessions mochte, wird Feels Good, Feels Right lieben.
Songs
Feels Good, Feels Right
Once In A While
As Time Goes By
Old Fashioned Love
Time On My Hands
The Way We Were
There’s Nothing That I Haven’t
Sung About
The Night Is Young And
You’re So Beautiful
Nevertheless (I’m In Love With You)
The Rose In Her Hair
What’s New?
When I Leave The World Behind

      
Aufgenommen 1976
in London

      
                                    
Arrangeur
Alan Cohen