“Basically, I'm for anything that gets you through the night - be it prayer, tranquilizers
or a bottle of Jack Daniels.” “Critics don't bother me because if I do badly, I know I'm bad before they even write it. And if I'm good, I know I'm good. I know best about myself, so a critic doesn't anger me.” “The thing that influenced me most was the way Tommy played his trombone. It was my idea to make my voice work in the same way as a trombone or violin - not sounding like them, but "playing" the voice like those instrument- alists.” |
A Man And His Teeth Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben es längst erraten, wohl auch schon aus dem Titel dieses Essays ersehen können: Wir wollen uns Sinatras Zähnen zuwenden. Wir sind uns einig darin, dass sie falsch waren – dies dürfte außer Zweifel stehen. Aber ab wann waren sie es? Diese und folgende weiter unten aufgelisteten Fragen sind in diesem Zusamm- enhang von allergrößtem Interesse - freilich sollte jetzt niemand von Ihnen erwarten, ich könnte all diese Fragen beantworten. Meine Damen und Herren - auch dem Wissen Ihres Prinzipals sind natürliche Grenzen gesetzt. Ich habe leider keinen Einblick in die Kartei-Kästen von Sinatras Zahnärzten - auch ist davon auszugehen, dass die meisten dieser Akten aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr existieren - Sie denken es sich freilich selbst: die meisten der Zahnärzte, die sich seinerzeit mit des Barden Beiß-Werkzeugen befassten, sind inzwischen zweifelsfrei längst dahingeschieden, die wenigen noch Lebenden freilich längst im wohlverdienten Ruhestand und ohne die Inanspruchnahme einer Detektei wohl auch kaum ausfindig zu machen - was selbstredend auch für die wenigen, welche vielleicht (ich betone: vielleicht) auch heute noch praktizieren, Geltung hat. Zudem ist freilich auch gar nicht zu erwarten, dass sie sich ohne weiteres bereit erklären würden, mir ihre Archive zu eröffnen - zweifelsohne würden sie auf ihre ärztliche Schweigepflicht verweisen, so ich denn die (wenn auch ohnehin nur illusorische) Gelegenheit hätte, sie zu fragen - Prinzipal hin oder her... Und sogar beim besten Willen aller Beteiligten wären die meisten Akten nicht mehr einsehbar, da sie sicherlich längst vernichtet wurden (immerhin reden wir hier von Akten aus einem Zeitraum von über sechzig Jahren, gerechnet vom Zeitpunkt, da Sinatra Mannesreife erreichte. Daher sollen die folgenden Fragen gewissermaßen erst einmal in den Raum gestellt werden (ohne viel Hoffnung, sie je beantworten zu können) um die Vielschichtigkeit dieses interessant- en Themas zu demonstrieren. Zunächst also zu den augenfälligsten Fragen, die sich jedem, der sich ernsthaft mit dem Thema gedanklich beschäftigt, sogleich vehement aufdrängen: a) Wann ließ Sinatra erstmals seine Zähne überkronen, schon in der Dorsey-Zeit oder gar davor? b) Wie oft wurde diese Prozedur im Laufe seines Lebens durchgeführt? c) Betraf es nur die vorderen Beißwerkzeuge oder auch die Backenzähne? d) Trug Sinatra ab einem gewissen Zeitpunkt (wenn ja, ab wann) festsitzenden Zahnersatz (Brücke)? e) Trug Sinatra ab einem gewissen Zeitpunkt (wenn ja, ab wann) herausnehmbaren Zahnersatz (Teilprothese, Vollprothese)? f) Trug Sinatra Implantate? g) Wer waren Sinatras Zahnärzte? h) Welche Dental-Pflegeprodukte verwendete Sinatra? i) Bezahlte die Plattenfirma seine Zähne oder musste der Star dafür selbst in die Tasche greifen? j) Sah Sinatras Gebiss in der Jugend bzw. im Alter natürlich bzw. unnatürlich aus? k) Inwiefern ist denkbar, dass Sinatras signifikant veränderte Stimme (erstmals zu Beginn der 50er Jahre, dann 1966 und später ganz entscheidend nach dem Retirement 1973 bzw. noch später 1984) zumindest zu einem Teil durch das Tragen eines neuen Satzes Zähne herrühren könnte? Wie sehen können, drängt sich eine Vielzahl von Fragen auf. Beginnen wir vielleicht mit der letztgenannten - also der Frage inwieweit ein neuer Satz Zähne den Gesang des Barden verändert haben könnte. Vieles, zumindestens nicht wenig spricht dafür, dass vor allem die Veränderungen der Alterstimme Sinatras (nicht nur, aber zu einem gewissen Teil) auch - ich betone auch - durch ein neues Gebiss hervorgerufen waren. Die Zähne nämlich haben sehr viel mit dem Singen zu tun, ein neuer Satz Zähne kann die Stimme völlig anders erscheinen lassen, und zwar wegen des unter Umständen veränderten Zusammenspiels von Lippen, Zähnen und Zunge. Wenn es sich nun gar um eine Vollprothese handelt, welche mit einer Platte am Gaumen anliegt, kann man sich freilich anschaulich vorstellen, welche eminente Auswirkung dieser großflächige Fremdkörper auf die Lautbildung hat... Das unsaubere „s“ vieler Leute, welche Prothesen tragen, und welches auch bei Sinatra in diversen Aufnahmen aus späten Jahren bemerkbar ist, kann ein Hinweis auf eine derartige sich im Munde des Barden befindliche Konstruktion sein. Eine weitere Ursache dafür können oder könnten natürlich in hohem Alter schon ausgeleierte Muskeln und Sehnen im Mund- und Kehlkopfbereich sein. Leider weiß ich nicht, inwiefern in den frühen Neunziger Jahren oder auch davor die Implantattechnik schon zum Einsatz kam und ob sie bei Sinatra zur Anwendung gebracht wurde. Überkront war in diesem Alter bei Sinatra wahrscheinlich nicht mehr allzu viel, wer hat schon mit bald achtzig noch eigene Zähne, die überkront werden können? Nun gar, wenn Sinatras Zähne im Laufe seines Lebens vielleicht mehrmals überkront worden waren: Bei jedem derartigen Eingriff geht weitere Substanz des ohnehin nur mehr in abgeschliffenem Zustand vorhandenen Zahns verloren - irgendwann, wie Sie sich leicht werden vorstellen können, meine Damen und Herren, ist das Ende der Fahnenstange erreicht, reicht die noch vorhandene Zahnsubstanz nicht mehr aus, um neue Kronen daran befestigen zu können. Falls der Barde also nicht mit Impantaten versorgt war, so trug er in hohem Alter hochwahr- scheinlich eine großflächige Prothese. Zuvor schon trug er meiner Ansicht nach im Front- bereich eine Brücke von einem Mundwinkel zum anderen – man kann das auf diversen Videos und auch Fotos gut erkennen, es sieht, sehr im Gegensatz zu Kronen, die einzeln auf dem beschliffenen jeweiligen Restzahn befestigt werden, ziemlich unnatürlich aus, nämlich wie aus einem Stück gearbeitet (was eine Brücke auch tatsächlich ist). Tatsächlich sah Sinatras Frontpartie in ihrer unnatürlich weiß leuchtenden Gleichmäßigkeit aus wie der Mundschutz eines Boxers. Tendenziell vermittelt ja sogar schon obiges Abbild des lachenden Sinatra diesen Eindruck (siehe Abbildung oben links auf dieser Seite), gleichwohl dieses Foto vermutlich von irgendwann Anfang der 60er Jahre datieren dürfte. Damit kommen wir auch schon zu einer weiteren Frage, nämlich jener die Ästhetik betreffend. Wenden wir uns also dem ästhetischen Aspekt zu: Gehen Sie in sich und beantworten Sie, meine Damen und Herren, für sich folgende Frage und bemühen Sie sich dabei, ehrlich zu sich selbst zu sein: Finden Sie Sinatras Gebiss (besonders das des alten Sinatra etwa nach 1970) natürlich? Es mag „schön“ im Sinne des Strahler-80-Gebots gewesen sein, aber war es passend für einen Mann fortgeschrittenen Alters? Wirkt es nicht eminent unnatürlich? Ich zumindest finde es in Tat ungeheuer unnatürlich und – gestehen Sie mir bitte meine Meinung zu – eigentlich und freilich eben gerade in seiner unnatürlichen Anmutung geradezu lächerlich. Gestern habe ich mir etwa einen Film aus meiner gigantischen VHS-Sammlung zu Gemüte geführt, „Krank vor Liebe“, gedreht 1987. Darin spielt Nastassja Kinski – damals Mitte Zwanzig - die Hauptrolle. Ihre höchstwahrscheinlich eigenen Zähne aber waren – obwohl ansonsten durchaus in Ordnung - nicht von so spektakulär unnatürlichem Weiss wie bei Sinatra, sondern von einer Farbe, die man allgemein als natürlich ansehen kann. Eine männliche Hauptrolle in diesem durchaus und beileibe nicht nur zu Zahnvergleichszwecken empfehlenswerten Streifen spielt der französische Mime Michel Piccoli, damals so um die sechzig Jahre alt. Auch seine Zähne, wiewohl im Gegensatz zu denen von Mademoiselle Kinksi wahrscheinlich falsch, waren von durchaus natürlicher und dem Alter des Mimen angemessener Farbe. Finden Sie nun – gleich mir – dass Sinatra die Farbe seiner (falschen) Zähne hochhaus oder besser gesagt haushoch übertrieben hat und sie somit einen ähnlich unnatürlichen Eindruck machen wie manche seiner Toupets? - Vergleichen Sie dazu Essay Numero 10: The Way You Wear Your Hair - Sinatra und seine Toupets. Womöglich hängt diese Angelegenheit auch mit Sinatras Bild von sich selbst zusammen, mit seiner selbst auferlegten Rolle, die er verkörperte. In der Welt des Schönen Scheins geht es eventuell nicht darum, Realismus in Zähnen wie Haaren auszudrücken, sondern das Gebiss zu präsentieren, das zwar niemand hat, aber jeder gerne möchte (idealtypisch gesprochen) - die Frisur, die so perfekt ist, dass sie wieder unnatürlich wirken mag. Womöglich wusste Sinatra das alles und hat sich damit von seiner übermenschlichen Seite zeigen wollen? Wertes Publicum, je mehr man sich mit diesem Thema beschäftigt - und Sie dürfen mir glauben, ich habe mich sehr eingehend dem Thema gewidmet - desto mehr wird man sich bewusst, dass man sich des Themas wahrlich aus einer Überfülle von Gesichtspunkten annähern kann, etwa dem ästhetischen, dem soziologischen, dem medizinischen und auch noch einer ganzen Reihe von anderen Gesichtspunkten. Ein eminent wichtiger Aspekt ist – wie ich meine – auch, was Sinatra seinem Publicum mit seinen übertrieben weissen Zähnen, seinen oft unnatürlichen Toupets und den aufgedoppelten Absätzen (für jene Leserinnen und Leser, welche es vielleicht nicht wissen: Sinatra trug Schuhe mit erhöhten Absätzen - er war nur von eher unterdurchschnittlicher Körpergröße und suchte diesen vermeintlichen Makel durch entsprechend präpariertes Schuhwerk auszugleich- en) vermitteln wollte bzw. wie dies von ihm wohl bewußt gewählte Erscheinungsbild denn aber nun wirklich auf das Publicum – oder umfassender ausgedrückt – auf die Menschheit ganz allgemein tatsächlich wirkte. Ich verdeutliche dies an folgendem Beispiel: Vor einigen Jahren nun schon, es mag anno Neunzehnhundertsechsundneunzig oder -siebenundneunzig gewesen sein, hatte ich mir gerade die Video-Kassette Sinatra And Friends gekauft. Wie Sie naturgemäß wahrscheinlich alle genau wissen, eine TV-Show des Jahres Neunzehnhundertsiebenundsiebzig. Ich war gerade beim letzten Viertelstündchen angelangt, als ein damaliger, inzwischen schon aus den Augen verlorener guter Bekannter mir einen Besuch abstattete und sich beim Eintritt in mein Stübchen dem TV-Schirm zuwandte, auf welchem Sinatra gerade sangesmäßig zugange war. Werthes Publicum, mein Bekannter zeigte sich sofort und unmittelbar hochgradig amüsiert, ja schüttete sich förmlich vor Lachen aus. Ich glaube bestimmt zu wissen, dass jener Bekannte nie zuvor Sinatra bei einem Bühnenauftritt gesehen hat, er kannte ihn nur vom Hörensagen und wusste nur, dass ich allerlei Tonträger des Barden mein Eigen nannte. Je nun, man kann also getrost sagen, Sinatra war (abgesehen von ein paar Liedern, die jeder kennt, ob er will oder nicht) sozusagen Neuland für meinen Bekannten. Umso erstaunlicher, wie er innerhalb weniger Sekunden sich anhand des Gesehenen ein Bild (sein Bild) von Sinatra machte, lachend den Kopf schüttelte und (ich zitiere sinngemäß aber ziemlich exakt aus dem Gedächtnis) sagte: „Und auf sowas fährst du nun wirklich ab? Schau ihn dir den doch bloß einmal an: diese Zähne, so weiss dass es völlig unnatürlich wirkt, das Toupet, völlig unnatürlich, die hohen Absätze... verlogen, total verlogen der ganze Mann! Genau wie seine Musik! Gib zu, dass das lächerlich ist!“ Meine Freunde, so also wirkte der mit allerlei unnatürlichen Versatzstücken „getunte“ Barde auf einen damals ca. Fünfundzwanzigjährigen. Ich denke, diese Wirkung ist kein Einzelfall. Dass man heutzutage im einundzwanzigsten Jahrhundert als „Sinatra-Enthusiast“ (übrigens etwas völlig anderes als ein „Sinatra-Fan“, jedenfalls in meiner Definition) mitunter doch mehr oder weniger belächelt wird, hat – wie ich meine – viel mit diesem gängigen Bild von Sinatra zu tun, an dem vom Scheitel bis zur Sohle alles falsch bzw. künstlich ist. Nicht zuletzt (sieht man von seinem Alter ab) wegen dieses Bildes konnte Sinatra ab den Sechziger Jahren kaum beim jüngeren Publicum punkten, da konnte er noch so verzweifelt damalige Hit-Songs wie Dont Sleep In The Subway nachkrähen. Und je älter der Barde wurde, desto dichter wurde wundersamerweise sein (künstlicher) Haarschopf (vgl. Bilder von 1993/94), desto weisser wurde sein Gebiss – und damit auch in allletzter Konsequenz umso lächerlicher seine Wirkung auf Leute, die eben nicht seine Fans waren. Das amerikanische Show-Business – nicht nur dieses, aber es hat eine Vorreiterrolle - lebt vom Schein und ist verlogen, aber Sinatra hat diesbezüglich eindeutig übertrieben. Eindeutig! Wenn also der angejahrte Sinatra auf ein jüngeres Publicum kaum Anziehungskraft auszuüben vermochte, ja oft sogar lächerlich wirkte, so nicht nur, weil seine Kunst inzwischen generell altmodisch geworden war, sondern zu nicht ganz unbeträchtlichem Teil auch und gerade durch die Art und Weise, wie er sich selbst und damit einhergehend natürlich auch seine Kunst präsentierte. In die Musik und die Songtexte der Populärmusik hatte inzwischen ein Realismus Einzug gehalten, der in dieser Form in Sinatras Kunst nicht exisitierte. Naturgemäß musste in den 70er Jahren ein kumpelhafter Typ wie etwa ein Bruce Springsteen, welcher strubbelhaarig und unrasiert in Jeans und Lederjacke realistische und glaubhafte Songs über Leute „aus dem Volk“ vortrug, für ein junges Publicum unendlich glaubwürdiger und attraktiver sein als Sinatra, ein versteinertes Relikt aus der Entertainment-Ära der 40er und 50er Jahre in Smoking, getunt mit oben erwähnten Versatzstücken, dazu noch einem jungen Publicum durch seine reaktion- ären politischen Ansichten und diverse Mafia-Gerüchte ohnedies hochsuspekt. Ich möchte nun keineswegs behaupten, dass Sinatra beim jüngeren Publicum mehr Chancen gehabt hätte, wenn er kahlköpfig und ohne widernatürliches Gebiss ins gleißende Rampenlicht getreten wäre – in der Tat möchte ich dies sogar bezweifeln. Allerdings hätte er durch klugen Verzicht auf allzu unnatürlich wirkende Versatzstücke seinen Kritikern und Gegnern entschieden weniger Munition in die Hand gedrückt. Sinatra war privat wie beruflich oft ein Mann der Extreme, der Übersteigerung. Wohl auch aus dieser charakterlichen Disposition heraus fiel seine Wahl, wenn es um die Farbe seines Zahnersatzes ging, auf das weisseste Weiss, auch wenn zwei Farbtöne unterhalb ein sehr viel glaubwürdigeres, realistischeres und gleichwohl ästhetisch immer noch „schönes“ Gesamtbild ergeben hätte. Wenn Sinatra seinen unnatürlichen Zahnersatz in die Kamera bleckte, wirkte es wie der Mundschutz eines Boxers oder aber als habe er eine weiße Billiardkugel im Mund! Für seine Toupets gilt dasselbe: sie sind denkbar unrealistisch, obwohl es sehr wohl auch realistischen Haarersatz gibt – Toupets wie sie etwa ein Burt Reynolds seit Mitte der 70er Jahre verwendet, sehen realistisch aus, man weiß zwar natürlich, dass Reynolds Toupets trägt, aber keiner macht sich darüber lustig, eben weil seine Toupets realistisch wirken. Sinatras Toupets aber in ihrer nunmal völlig unrealistischen Anmutung dagegen reizen naturgemäß zum Lachen, nun gar wenn das allgemeine Erscheinungsbild durch viel zu weiße Zähne noch zusätzlich an den Rand des – ich möchte fast sagen – Obskuren getrieben wird. Zähne von derart blendend weißer Strahlkraft kommen in der Natur praktisch so gut wie nie vor, schon gar nicht bei Angehörigen der weißen Rasse und schon überhaupt nicht bei Menschen jenseits der Sechzig. Das Weiß soll wohl Gesundheit und Kraft symbolisieren, da es aber in der Natur , wie wir gesehen haben, gar nicht vorkommt, wirkt es jedoch im Gegenteil eher befremdlich und durch die völlige Diskrepanz zur Natur nicht gesund sondern vielmehr eher sonderbar, ja sogar widernatürlich und daraus abgeleitet sogar in gewisser Weise krank – es entsteht also eine der ursprünglichen Intention krass entgegen- gesetzter Eindruck. Wie sich Sinatra dem Publicum präsentierte, halte ich nebstbei bemerkt generell für ein besonders interessantes und ersprießliches Thema. Die Art und Weise der Präsentation hat immerhin großen - ja immensen - Einfluss darauf, wie die Musik bei den unterschiedlichen Hörergruppen aufgenommen wird. Nicht selten kommt es vor, dass etwas an sich künstlerisch Gutes aufgrund der Präsentationsweise vom Publicum abgelehnt wird. Ich denke da beispiels- weise an gewisse sehr „moderne“ Inszenierungen von Opern oder Theater-Klassikern, aber auch an die Pop-Gruppe „Dschinghis Khan“, welche einst vor vielen Jahren am Song-Contest teilgenommen hat. Wenn also Sinatra in den Punkten Zahnersatz und Haarteile bei der Auswahl derselben etwas mehr nach realistischen Gesichtspunkten vorgegangen wäre, hätte dies seinem Äußeren nicht geschadet und die allgemeine Glaubwürdigkeit wäre durch umsichtigere Auswahl der diversen Behelfe beträchtlich gestiegen. Die Leute hätten zwar weniger zu Lachen gehabt aber Sinatras Erscheinung wäre insgesamt eine weniger Unnatürliche gewesen. Johannes Heesters etwa, der scheinbar unsterbliche Methusalem des Entertainments, verwendet einen Zahnersatz, welcher durch seine dezente Ausführung in Form und Farbe höchst realistisch wirkt, obwohl man weiß, ein Mann von einhundertundfünf Jahren hat keinen eigenen Zahn mehr im Munde. Nie und nimmer, meine Damen und Herren! Dennoch geht man als Zuschauer stillschweigend über diese Tatsache hinweg – eben weil der Behelf realistisch im Sinne von „im Bereich des Möglichen und Gewohnten“ ist. Sinatras Behelf dagegen war völlig unrealistisch, nicht im Bereich des Möglichen und Gewohnten, ja nicht einmal im Bereich des Vorstellbaren, somit also in letzter Konsequenz unglaubwürdig bis hin zur Karikatur. Nun ist Sinatra für diese ästhetischen Verfehlungen nicht alleine zur Verantwortung zu ziehen, sondern gleichwohl und viel mehr das Umfeld, dem er angehörte. Im amerikanischen Show- business gab und gibt es ausschließlich unnatürlich anmutende Zähne - da wimmelt es nur so vor greisen Talk-Show-Moderatoren mit blendend weißen Zähnen, es ist zum Gotterbarmen! Und schlimmer noch: inzwischen setzt sich dieser lächerliche Trend nämlich auch mehr und mehr in unseren Breiten durch - ich ersuche Sie dringendst, nicht auch einer derartig infantilen Modestömung zu erliegen und irgendetwas an Ihren Zähnen machen zu lassen oder ihnen womöglich gar selbst mit Bleichmitteln aus dem Drogeriemarkt zu Leibe rücken zu wollen! Ich bitte sie dringendst, nehmen Sie davon Abstand, alles was Sie damit erreichen, ist, dass Sie Ihre vielleicht ansonsten tadellos gesunden Zähne durch Chemikalien zerstören und womöglich innerhalb weniger Jahre verlieren. Die Anwendung von Bleichmitteln ist generell Unfug, aber wenn, dann sollte sie ausschließlich durch geschultes Personal erfolgen und keinesfalls im Selbstversuch, welcher in elf von neun Fällen schädigende Auswirkungen auf die Zahnsubstanz und mehr noch auf das Zahnfleisch zeitigt. Meine Damen und Herren, Sie werden mit diesen Mitteln Ihren Zahnschmelz ruinieren, weil er durch die Chemikalien, welche in diesen unseligen und verdammenswerten Präparaten enthalten sind, geschädigt wird - dadurch werden Ihre Zähne schmerzempfindlich werden, und zwar dermaßen, wie Sie es sich jetzt nicht in Ihren schlimmsten Träumen vorzustellen vernögen. Darüber hinaus wird durch einen geschädigten Zahnschmelz der Zahnfäule, ehemals auch Karies genannt, Tür und Tor geöffnet. Also nochmals mein dringender Appell: Finger weg von diesen Mitteln! Dies mein wohlmeinender Rat, den zu befolgen ich Ihnen zwar aller- dringendst anrate, aber natürlich nicht anbefehlen kann. Sie müssen als mündige Bürger schon selbst wissen, worauf Sie sich einlassen. Ich kann bei all meinen vielen sonstigen Verpflichtungen, die mich ohnehin schon beinahe erdrücken, nicht auch noch der Hüter Ihrer Zähne sein, wertes Publicum, ich bitte Sie dahingehend um Verständnis. Geschätztes Publicum kehren wir zu Sinatra zurück: Wie wir also gesehen haben, litt die Natürlichkeit seines Aussehens im Alter unter den allzu weißen Zähnen, welche der Barde zu tragen die Gewohnheit hatte. Somit litt naturgemäß seine Glaubwürdigkeit ganz im Allgemeinen - es wird ja immer wieder und vielfach behauptet, Sinatra habe mit zunehmendem Alter neben dem allmählichen Verlust seiner gesanglichen Fähigkeiten auch an einem zunehmenden Verlust seiner Glaubwürdigkeit gelitten, indem er Lieder intonierte, die eigentlich und ursprünglich für wesentlich jüngere Protagonisten geschrieben worden waren - sicherlich hat, um ein Beispiel einzuflechten, ein Ira Gershwin beim Verfassen des Textes von Someone To Watch Over Me nicht einen Mann Ende Siebzig vor dem geistigen Auge stehen gehabt. Somit passten viele der Lieder, die Sinatra am Ende seiner Laufbahn unverdrossen weiterhin zum Besten gab, überhaupt nicht mehr zu ihm und kaum einer - fanatische Anhänger ausgenommen - mochte ihm die Aussage der Songs noch abnehmen. Genausowenig wie man einem Mann mit weit über Siebzig Lenzen das perlweiße Gebiss abnimmt, das in derartiger Weise kaum je auch bei wesentlich jüngeren Menschen anzutreffen ist. Bedenken Sie auch, dass Sinatra starker Raucher war und den größten Teil seines Lebens noch dazu filterlose Zigaretten bevorzugte - keine Zähne, und seien sie noch so robust, bleiben bei so einer Lebensweise fleckenlos. Schon daran kann man untrüglich ersehen, dass Sinatras Zähne schon in den vierziger Jahren nicht seine eigenen waren. Wie dann erst in seinen alten Tagen? Insofern hatte Sinatra - Mann der Extreme, der er war - in dieser Hinsicht heillos übertrieben und damit im Endeffekt seiner allgemeinen Glaubwürdigkeit einen nicht unerheblichen Dämpfer beschert. Wie kann ein Mann, welcher schon bei seinem Gebiss derart mogelt, in anderen und wesentlich wichtigeren Dingen für integer gehalten werden? Genau dies ist nämlich die essentielle Frage, welche sich Sinatra aber offenbar nie gestellt hat. Hätte er es getan, so würde er ohne Zweifel zu einem natürlicher wirkenden Zahnersatz gegriffen haben, seine Zähne in einer Farbe haben anfertigen lassen, welche seinem Alter entsprechend gewesen wäre und somit zwar weniger weisse Zähne aber dafür ein Mehr an allgemeiner Glaubwürdigkeit vorzu- weisen gehabt. Gerade Sinatra, welcher die Inkarnation des amerikanischen Show-Business war, hätte die abstrusen Gesetzmäßigkeiten des Show-Geschäfts äußerlichen Dingen wie etwa die Zähne betreffend, außer Kraft setzen können, indem er sich diesem widernatürlichen, ja lächerlichen Diktat entgegengestellt hätte. Es ist schade, dass er diesen Schritt zu setzen verabsäumt hat - hier hätte der Barde wirkliche Pionier-Arbeit leisten können. |
Songs By Sinatra: Change Partners 30. Januar 1967 (Reprise) Change Partners ist zwar nicht der beste Song des Jobim-Albums, gleichwohl aber eine echte Perle! Eine hübsche Melodie, ein guter Text und ein bestens phrasierender Sänger machen den Song heraus- ragend. Sicherlich hatte die Stimme von Sinatra 1967 bereits viel vom Glanz früherer Jahre verloren, aber sein Gefühl für einen Song und seine einzigartige Phrasierung waren noch weitgehend erhalten geblieben. Eine sehr kluge Entscheidung von Sinatra, dieses Album aufzunehmen, hier macht der Sänger aus der stimmlichen Not eine Tugend und es gelingt Sinatra das Kunststück, trotz der stimmlichen Einbußen, die er seit 1965 hatte hinnehmen müssen, ein Meisterwerk abzuliefern. Die Aufnahme hat wirklich Seele und wurde von Claus Ogermann mit einem höchst einfühlsamen Arrangement veredelt. Immer wieder bewunderns- wert: die dezente und dennoch komplexe Rhythmus-Arbeit, die nicht nur diesen Song, sondern das ganze Jobim- Album kennzeichnet. |
Songs By Sinatra Noah 4. Juni 1973 (Reprise) Meiner Meinung nach steckt Sinatra bei dieser krausen Nummer bis zum Hals im Kitsch-Fettnäpfchen. Womit nur hat man Sinatra gedroht, um ihn dazu zu bringen, diesen Titel aufzunehmen? Dabei ist der leise Anfang und das leise Ende abgesehen vom kuriosen, an ein rosa gebund- enes Poesie-Album gemahnen- den Text gar nicht einmal so schlecht, aber der ungeheuer bombastische Refrain und der jubilierende, schrill lärmende Gospel-Chor lassen die guten Ansätze leider im Keim ersticken. Das wird immer lauter, das erfüllt einem fast schmerzlich die Ohren. Nun konnte ich der unterdurchschnittlichen Schlager-Platte Ol´Blue Eyes Is Back mit Ausnahme von You´ll Be My Music und Send In The Clowns ohnedies noch nie etwas abgewinnen, aber Noah fällt sogar im eher negativen Kontext dieser Platte ganz besonders unangenehm auf. |