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“Basically, I'm for anything that gets you through the night - be it prayer, tranquilizers or a bottle of Jack Daniels.”

“Critics don't bother me because if I do badly, I know I'm bad before they even write it. And if I'm good, I know I'm good. I know best about myself, so a critic doesn't anger me.”

“The thing that influenced me most was the way Tommy played his trombone. It was my idea to make my voice work in the same way as a trombone or violin - not sounding like them, but "playing" the voice like those instrument- alists.”
Sinatra & Friends

Der Sinatra, welcher auf dem Cover der DVD zu sehen ist, hat recht wenig gemein mit
dem grauhaarigen Senior, welcher kurz nach Einlegen dieses Bild- und Tonträgers auf dem häuslichen TV-Schirm erscheint. Aber Cover-Fälschungen sind wir bei Sinatra-Veröffentlichung- en ohnehin gewohnt: Die 1995 erschienene CD
80th Live ziert ein Cover-Foto, das im Jahre 1984 aufgenommen wurde, die 1981 veröffentlichte LP She Shot Me Down verwendete als Cover ein anno 1973 aufgenommenes Foto des Barden. Je nun, meine sehr geehrten Damen und Herren, halten wir uns nicht mit Marginalien auf und wenden wir uns lieber der Musik zu.

Sinatra hatte sich auch für dieses TV-Special wieder einige musikalische Gäste eingeladen - ob sie alle nun wirklich auch Sinatras "friends" waren, sei einmal dahingestellt und ist ohnedies von nicht allzu großer Wichtigkeit: Natalie Cole, Robert Merrill, Dean Martin, Loretta Lynn, Tony Bennett, Leslie Uggams und John Denver.

Die Show beginnt mit Where Or When, wobei Sinatra generalsmäßig die Parade abnimmt und seinen in Reih und Glied stehenden Gästen für jeweils einige Textbruchstücke das Mikro unter die Nase hält. Danach stimmt Sinatra einen seiner großen Erfolge, nämlich I´ve Got You Under My Skin an - allein diese ziemlich glanzlose Version dürfte auch den hartgesottensten Fans nicht eben unter die Haut gehen. Überdies wird der Song recht ungeschickt ausgeblendet.
Zeit für den ersten Gast - Natalie Cole, Tochter des legendären Nat King Cole und selbst ein großer Star, bringt zusammen mit Sinatra einen weiteren Klassiker aus dem Songbook der Entertainment-Legende: I Get A Kick Out Of You. Das bemerkenswerteste an diesem Duett ist vielleicht der wallende, türkisfarbene und bodenlange Vestalinnen-Fummel von Natalie Cole, der musikalische Gehalt hingegen ist vor allem von Sinatras Seite eher gering zu veranschlagen. Die Leistung Natalie Coles immerhin ist zumindest befriedigend zu nennen. Im Anschluss hat die Sängerin Gelegenheit, einen ihrer eigenen Songs solo darzubieten: I´ ve Got Love On My Mind ist eine soulige Edel-Pop-Schnulze, die Natalie Cole als eine Art Ahnherrin späterer farbiger Pop-Sängerinnen  vom Schlage einer Whitney Houston erscheinen lässt. Elevator- Music ist kein schlechtes Wort, um dieses Liedchen kurz und knapp zu beschreiben.

Der nächste im Reigen der illustren Gästeschar ist Robert Merrill, mit offensichtlich klassisch geschulter Stimme und ebenso offensichtlichem Toupet stimmt er den Musical-Song If I Were A Rich Man an und sofort überfallen mich Erinnerungen an deutsche TV-Shows der späten 70er und frühen 80er Jahre, in welchen Ivan Rebroff mit einem Pferdeschlitten auf die Bühne gekarrt wurde, um in vollem Kosaken-Ornat eben dieses Lied auf deutsch anzustimmen: "Wenn ich einmal reich wär". Mit solcherlei durchaus erheiternden Erinnerungen vor dem geistigen Auge läßt sich auch der Vortrag von Merrill ertragen. Derselbe Merrill stimmt nun gar The Oldest Established Floating Crap Game an, wobei er Unterstützung von Sinatra und Dean Martin erhält, welche beide mit dem Song seit Jahrem auf bestem Fuße stehen. Dennoch ist hier unüberhörbar - und auch unübersehbar - dass beide Herren schon wesentlich bessere Zeiten gesehen haben. Immerhin, gegen Ende des Songs kommt doch noch etwas Stimmung auf
und die tadellos gearbeiteten Porzellankronen des angejahrten Trios blitzen um die Wette.

Der nächste Auftritt sorgt ob der Bühnenkleidung von Country-Sängerin Loretta Lynn gleichermaßen für Erheiterung und Erstaunen: Dieses seltsam gebauschte bodenlange
Etwas scheint dirket aus der Requisitenkammer von "Star Trek" zu stammen. Ich tippe auf Hohepriesterin einer Alien-Religion... Ich mache mir nicht weiter die Mühe, dieses Kleidungs- stück noch näher zu beschreiben, ein Bild sagt bekanntlich mehr als tausend Worte... Frau Lynn singt mit country-typisch kehliger Stimme einen seinerzeit recht populären Country- Schlager mit dem Titel She´s Got You. Dannach stimmt sie zusammen mit Sinatra All Or Nothing At All an - und zwar im umstrittenen funkigen Disco-Arrangement, welches von
Sinatra im selben Jahr (und zum Leidwesen vieler Fans) auch im Studio verewigt wurde.

Nach der Vergewaltigung dieses Klassikers betritt mit Tony Bennett der Mann die Bühne, den Sinatra selbst mehrfach als seinen Lieblingssänger bezeichnet hat. Den Grund dafür bleibt uns Bennett hier allerdings schuldig, bei seinem Solo-Song One zeigt er sich nämlich stimmlich besonders indisponiert, beim folgenden Duett mit Sinatra, My Kind Of Town, geht er völlig unter - und dies obwohl Sinatra selbst in wenig befriedigender Form ist. Das Duett der beiden macht nicht den Eindruck, als sei es zuvor auch nur ein einziges Mal geprobt worden. Der stimmlich- en Verfassung des Gastgebers wird ohnedies noch ein gesonderter Absatz zu widmen sein, fürs erste aber weiter im Programm:

Als nächstes betritt Leslie Uggams, eine farbige und mir übrigens völlig unbekannte Sängerin, die Bühne und tritt einen weiteren Beweis dafür an, dass bodenlange Fummel damals im Showbiz wohl der letzte Schrei waren. Auch sie hätte in ihrer vor Strass und Pailletten nur
so funkelnden Gewandung jedes Recht in "Star Trek" mindestens die Königin des Universums zu spielen. Über ihren Solo-Part, den poppigen oder soll ich lieber sagen popeligen Schmacht- Song I Honestly Love You, den sie mit der Miene größtmöglichen Bekümmernisses und wie auf der Bühne festgeschraubt vorträgt, wollen wir gnädig den Mantel des Schweigens und Vergessens breiten. Etwas temperamentvoller gerät ihr da schon The Lady Is A Tramp
zusammen mit Sinatra - dass die beiden nicht an das frühere Duo Sinatra-Fitzgerald heranreichen, versteht sich allerdings ganz von selbst.

Eine recht ungeschickt gemachte Schwarzblende darauf betritt der Country-Pop-Star John Denver die nunmehr mit dürrem Reisig geschmückte Bühne und setzt mit My Sweet Lady

alles daran, den Zuschauer in Tiefschlaf zu versetzen. Ich nehme jedenfalls an, dass es sich hier um John Denver handelt - so ganz genau ist das nicht zu erkennen: Der Teil seines Gesichts nämlich, welcher nicht von in die Augen hängenden Haaren und Vollbart verdeckt wird, ist hinter der Brille recht schwer auszumachen. Je nun, mit ähnlicher Haar- und Barttracht stelle ich mir den Minnesänger Blondel vor, nur dass dieser statt des Smokings wohl ein samt- enes Wams getragen hätte... - Nun aber gesellt sich Sinatra zu seinem Gast und beide lassen sich auf zwei Barhockern nieder und stimmen allsogleich den September Song an. Sinatras stimmliche Verfassung ist hier so katastrophal, dass man am liebsten die Hände über dem Kopf zusammenschlagen möchte. Dies ist die übliche Post-Retirement-Weinerlichkeit, nur diesmal gesteigert ins schier Unfassbare. Wertes Publicum, mit einem Wort: Sinatra singt den September Song nicht, er greint ihn. Dass angesichts dessen John Denver bei diesem Duett noch die bessere Figur macht, versteht sich von selbst, soll aber nicht unbedingt als Lob für Denver gewertet werden. Denver, ausgestattet mit einem Piepsstimmchen, scheint mir nicht
so der rechte Mann für diesen Songs zu sein.

Zu guter (angebrachter wäre zu schlechter) Letzt meint man sich in den Vorspann einer 70er- Jahre-US-Krimi-Serie wie "Kojak" versetzt, als Sinatra es tatsächlich wagt, auch Night And
Day
im Disco-Stil zu verheizen. Danach stimmt der Barde einen damals neuen, von Paul Anka geschriebenen Song an, Everybody Ought To Be In Love, eine belanglose und nichtssagende Schlager-Pop-Nummer, die seinerzeit mit wenig bis gar keinem Erfolg als Single veröffentlicht wurde und heute nur mehr innerhalb des gewaltigen 20-CD-Sets The Complete Reprise Studio Recordings erhältlich ist. Der Song gehört mit zum Banalsten, was Sinatra je auf Platte aufge- nommen hat. Während des Liedes erscheinen die Gäste für eine jeweils kurze Verabschiedung noch einmal der Reihe nach auf der Bühne. Am Ende des Programms stimmt Sinatra wie in guten alten Radio-Tagen seinen berühmten Show-Stopper Put Your Dreams Away inklusive einer kurzen, fast brüsk wirkenden Verabschiedung an.

Wertes Publicum: Hier der oben schon angekündigte Absatz zur stimmlichen Verfassung
des damals immerhin zwoundsechzig Jahre alten Sinatra: Die Stimmprobleme des Stars
nach seinem Retirement sind bekannt, doch nie waren sie dermaßen evident wie in diesem TV-Special. Wenn Sie auf der Suche nach Aufnahmen sind, die Sinatra in wirklich desaströser Form zeigen, darf Ihre Suche mit Ankauf dieser Veröffentlichung als beendet betrachtet werden. Auch wenn man das Alter des Sängers als mildernden Umstand mit einkalkuliert - schlechter war Sinatra kaum je zuvor oder später. Ein wirklicher Tiefpunkt. Tröstlich in diesem Zusammen- hang ist einzig die Tatsache, dass Sinatra zwei Jahre später wieder sehr viel besser in Form war, wie etwa auf dem Album
Trilogy dokumentiert. Fazit: Ein stimmlich erbarmungswürdiger Sinatra mit blass agierenden Gästen rechtfertigt den Kauf dieser Hochpreis-DVD nur für Sammler.

Bewertung: schlecht




Songs
Sinatra & Friends:
Where or when
Sinatra:
I’ve got you under my skin
Sinatra & Natalie Cole:
I get a kick out of you
Natalie Cole:
I’ve got love on my mind
Robert Merrill:
If I were a rich man
Sinatra, Martin & Merrill:
Oldest established floating crap game 
Loretta Lynn:
She’s got you
Sinatra & Loretta Lynn:
All or nothing at all
Tony Bennett:
One
Sinatra & Tony Bennett:
My kind of town 
Leslie Uggams:
I honestly love you
Sinatra & Leslie Uggams:
The lady is a tramp
John Denver:
My sweet lady
Sinatra & John Denver:
September song
Sinatra:
Night and day
Everybody ought to be in love
Put your dreams away


Aufgenommen 1977


Orchesterleitung
Nelson Riddle