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“Basically, I'm for anything that gets you through the night - be it prayer, tranquilizers or a bottle of Jack Daniels.”

“Critics don't bother me because if I do badly, I know I'm bad before they even write it. And if I'm good, I know I'm good. I know best about myself, so a critic doesn't anger me.”

“The thing that influenced me most was the way Tommy played his trombone. It was my idea to make my voice work in the same way as a trombone or violin - not sounding like them, but "playing" the voice like those instrument- alists.”
BING CROSBY & ROSEMARY CLOONEY
Fancy Meeting You Here

Rezension zur Verfügung gestellt von F.X. Huber



A Must own for Bing and Rosie Fans

Fancy Meeting You Here was originally released in 1958 as a 13-track LP. All the songs are sung in duet, and were arranged and conducted by Billy May. The album has the theme of travelling around the world, and it is a similar type of thing to Sinatra's album, Come Fly With Me (which also had Billy May and his orchestra). The difference, of course, is that Sinatra sung alone, while this album is all in duet.

This is, in my opinion, not only Bing's best album (and Rosie's), but THE best album that has ever been recorded, by any artist. I love it, and fans of the two, will love it also. This is an album you should not be without. Highly recommended.

So steht es in einer Amazon-Kundenrezension aus dem Jahre 2004 geschrieben; die hier vertretene Meinung kann als typisch für die Aufnahme dieses Albums in der Bevölkerung gelten. Unser heutiges Thema nämlich, Fancy Meeting You Here, wird allgemein als der absolute Höhepunkt im musikalischen Schaffen von
Bing Crosby, aber natürlich auch von Rosemary Clooney, betrachtet.

Die 13 (12) Duette, die im Jahre 1958 als direkte Reaktion auf Sinatras
Come Fly With Me unter der musikalischen Leitung des „Merry Maestro“ Mr. May entstanden sind, gelten bis heute als legendäre Musterbeispiele des Swing in seiner Glanzzeit. Das Album Fancy Meeting You Here, herausgegeben von RCA Victor, wird im Allgemeinen nicht mehr nur für sich selbst stehend als bahnbrechendes Produkt zweier Ikonen des Showbusiness auf dem Gipfel ihrer Leistungsfähigkeit betrachtet, sondern als unberührbarer Meilenstein, Phänomen und Must- Have nicht nur für Fans von Crosby und Clooney, sondern für jeden, der sich für kommerziellen gesungenen Swing interessiert.

Allenfalls eine Handvoll weiterer Alben in der Unterhaltungsmusik hat einen ähnlichen, de facto geschichtsträchtigen, monumentalen Kultstatus erreicht (etwa The White Album der Beatles). Warum diese Paarung so unübertrefflich legendär wurde, und warum es sich kein Swing-Fan leisten kann, diese Platte nicht im Schrank zu haben, möchte ich im Folgenden ausführen.

Allgemein könnte man sagen, dass der Grund des durchschlagenden Erfolges von Fancy Meeting You Here der war, dass einfach alles gepasst hat. Nehmen wir zunächst das Thema: Die Faszination des Exotischen, die Sehnsucht nach Far Away Places (With Strange Sounding Names), war im Amerika der Fünfziger Jahre allgegenwärtig. Für den, der es sich leisten konnte, war ein Trip nach Europa en vogue, aber auch der Ferne Osten erfreute sich großer Beliebtheit. Charakteristisch ist hierbei ein formales Streben nach kultureller Bereich- erung. So schreibt auch Bing, bzw. sein Ghostwriter, in den Editorial Notes zum Thema „Educational Entertainment“:

„Anything that will get youngsters reading these days is eminently desirable – even if it’s an album liner. […] With accompanying map some geography could be absorbed. A coreful selection of songs could reveal the mores of the places visited, the transportation facilities available, the mean climate, etc. […] Study the map while listening. It’s very engrossing.”

Doch auch wenn die Kultur der Alten Welt oft genug als Hauptursache für die Faszination vorgeschoben wurde, den meisten ging es doch weniger um landeskundliche Bildung sondern um diesen Hauch von Exotik, von dem man auch als Rückkehrer ins triste Alltagsgrau noch lange zehren konnte.

1958 schließlich stößt das Duo Frank Sinatra / Billy May mit ihrem gefeierten Reisealbum in ebendiese Lücke, bringt einen Anklang von Internationalität in die Wohnzimmer der Daheim- gebliebenen, versüßt den Heimkehrern die Wartezeit bis zum nächsten Trip und trifft mit diesem Konzept voll ins Schwarze. Wie wir noch sehen werden, beschränkt sich Fancy Meeting You Here jedoch keineswegs darauf, eine bloße Reaktion auf Come Fly With Me darstellen zu wollen, sondern fügt einige aus heutiger Sicht stilbildende Elemente hinzu, mit denen dieses eine Mal der Bingle als Meister seinen Schüler überflügelt.

Besonders wichtig beim einmaligen Hinsehen im Plattenladen: die Aufmachung respektive das Plattencover. Im Falle von Fancy Meeting You Here hat man nicht wie so oft das Billigste genommen, sondern auf der Vorderseite prangt ein fotorealistisches Porträt der beiden Künstler, umrahmt von zeitgenössischen Reiseplakaten um die Sehnsucht zu steigern. Im Gegensatz zu vielen anderen Covers hat es durchaus dekorativen wie künstlerischen Wert, man schaut sogar gerne gelegentlich freiwillig hin. Auf der Rückseite finden sich die eben schon erwähnten Geleitworte von Mr. Crosby sowie eine stilisierte Weltkarte, die an einigen ausgewählten Stellen mit den jeweils dazugehörigen Track-Nummern versehen ist. Was heute fast schon niedlich wirkt, ist vor dem Hintergrund des damaligen Bildungsstandes eventuell
ein bisschen mehr als eine originelle Idee. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Platte in den Vereinigten Staaten veröffentlicht wurde, darf man sogar freimütig behaupten: „Bildungsauftrag in vollem Umfang erfüllt“.

Bevor wir zur Musik kommen, last but not least, die Interpreten. Es ist bekannt, dass Le Bing Fremden gegenüber eine sehr reservierte Wesensart an den Tag gelegt hat. Er war kein Gesellschaftsmensch und fühlte sich unter vielen Leuten z. B. auf Parties nicht wohl. Zu denjenigen aber, mit denen er erst einmal „warm geworden“ war, pflegte er in der Regel lebenslange herzliche Beziehungen, die weit über berufliche Zusammenarbeit hinausgingen.
Es ist beispielsweise bekannt, dass Bing gerne den einen oder anderen Freund zum Dinner einlud. Auch Frank Sinatra sah Bing bezeichnenderweise als Vorbild und als Freund.
So gibt es eine Handvoll von Künstlern, die mit Bing Crosby besonders verbunden waren und darum auch immer in einem Atemzug mit ihm genannt werden müssen. In diese elitären Kreise reihen sich die Andrews Sisters, John Scott Trotter, Louis Armstrong (für Bing immer Pops, nie Satchmo) und, wie könnte es anders sein, Bob Hope.

Besonders bemerkenswert aber ist diese eine kongeniale Paarung, die die anderen genannten noch überragt, ebenso wie sie bis heute ihresgleichen sucht. Wann immer Crosby – Clooney auf dem Programm stand, war es wie durch Naturgesetz festgelegt: Das Ergebnis musste etwas Besonderes werden.

Besonders hervorzuheben ist neben einigen gemeinsamen Auftritten im Radio die ein Jahr zuvor ausgestrahlte Fernsehshow zur Promotion des neuen Ford Edsel, bei der die beiden zusammen mit Frank Sinatra ein über 12 Minuten langes Medley singen, welches wie die gesamte Sendung eine Sternstunde in der Geschichte des Showbusiness darstellt. Die Zeit war mehr als reif für eine gemeinsame Langspielplatte. Ein Jahr später folgte für Capitol Records das Dixieland-Album That Travelin’ Two-Beat, bei dem die beiden ebenfalls von Billy May begleitet wurden. Diese beiden Alben haben beide einen Charakter der Einzigartigkeit, denn sie sind trotz zahlreicher gemeinsamer Shows die einzigen originären Crosby-Clooney- Duett-LPs.

Und los geht’s. Fancy Meeting You Here hat alles, was ein Einstiegssong braucht: ein furioses Intro mit vollem Orchester, eine eingängige Melodie, eindeutige Abgrenzung (und oftmalige Wiederholung) des Themas … ein vollwertiger Ohrwurm, den Sammy Cahn und James Van Heusen im bewährten Sound auf die Beine gestellt haben. Nach den ersten Takten spürt man schon, dass das Album ein Festival der guten Laune, eine akustische Revue im Broadway-Stil wird.

A propos Broadway-Revue: Es geht weiter mit Frank Loessers On A Slow Boat To China, einem Evergreen aus dem Jahre 1945. Nach dem mit viel Pathos fast selbstironisch vorge- tragenen langsamen Intro folgt eine Überraschung Marke Billy May. Passend zum Text („I’d love to get you on a slow boat to China“) nimmt er den ersten Chorus mit runden 165 bpm. Hier kommen dem Maestro seine Erfahrungen mit der Unterlegung von Trickfilmen zugute: Mit den passenden Xylophon-Figuren ersteht vor des Hörers geistigem Auge das plastische Bild des Kojoten, der den Roadrunner jagt (oder der Katze, die hinter dem Kanarienvogel her ist). Gong- schlag – und endlich finden wir uns im relaxten Swing-Tempo wieder, das Bing bekannter- maßen so gut zu Gesicht steht. Wir erinnern uns etwa an den Klassiker Lazy River.

Nach dieser wilden Jagd geht es in noch langsamerem Tempo weiter mit einem Stück, das Sinatra-Anhängern nicht unbekannt sein sollte. I Can’t Get Started beginnt mit dem schönen Intro, frei im Vortrag und mit lockerer Klavierbegleitung, so dass man sich in die Welt des Barjazz und Saloon Swing versetzt fühlt. Der sanfte, federnde Rhythmus und die zurückhalt- ende Instrumentation tun ihr Übriges, um aus dieser Ballade einen coolen laid-back Swinger zu machen, der so klingt, als wäre er erst gestern oder allenfalls um die Jahrtausendwende herum aufgenommen worden. Dank der wirklich glänzenden Tonqualität auf dem ganzen Album könnte man ihn locker hinter Bublé einschieben, ohne dass der zeitliche Unterschied von fast 50 Jahren in irgendeiner Weise spürbar wäre – sehen wir von folgender zeitgenössischer Textzeile ab, in der sich Bing mit dem King vergleicht und auf seine unnachahmliche Weise seine Philosophie der Lässigkeit kundtut: „Good grief, I’m not exactly a clod / When Elvis Presley bows, I just nod.“

Wie vorhin schon erwähnt, ist bei Fancy Meeting You Here alles ausgeklügelt, stimmt jedes Detail ins Gesamtbild. Insbesondere sind die Songs in einer Reihenfolge angeordnet, die das ganze Album als zusammengehörige Einheit präsentiert. Der nächste Titel, Hindustan, knüpft mit einem coolen, orientalisch anmutenden aber schnelleren Intro direkt an I Can’t Get Started an, steigert sich dann aber über einen von lockeren (Riddle-)Flöten untermalten Chorus zu einem ausgelassenen, harten Swing voller Pauken- und Gongschlägen und allem was dazu gehört. Einmal mehr besteht akute Ohrwurm-Gefahr.

Wer It Happened In Monterey von Frank Sinatra und Nelson Riddle gewöhnt ist, wird nunmehr erstaunt sein, wie viel mehr an Überraschung, Spannung, Exotik und Witz man mit einem wirklich kreativen Arrangement herausholen kann. Selbstverständlich möchte ich nicht die Kunstfertigkeit von Mr. Riddle anzweifeln, aber wenn man einmal von May verwöhnt ist, sieht man alles andere schnell in einem etwas blasseren Licht. Überzeugen Sie sich selbst. Es beginnt mit Gitarren- bzw. Mandolinenklängen in einem angemessenen Rhumba-Rhythmus und geht im zweiten Durchlauf, damit es nicht langweilig wird, in einen zweistimmigen Cha-Cha-Cha über, der zu allem Überfluss auch noch mindestens einmal verdächtige Anklänge an Jarabe Tapatio beinhaltet. Das nenne ich „geballtes Mexiko“, so mexikanisch, dass es gar nicht mehr mexikanischer geht. Hier ergibt sich einmal mehr eine gute Gelegenheit, um gebetsmühlenartig zu wiederholen, dass ich Billy May für den begnadetsten Arrangeur auf seinem Gebiet halte, den es gegeben hat. Erst im direkten Vergleich zu Riddles Arrangement, an dem wir doch all die Jahre nie das Geringste auszusetzen hatten, offenbart sich der qualitative Unterschied. Vor diesem Hintergrund wünscht man sich, Billy May hätte noch viel mehr für Sinatra gearbeitet.

Die Latino-Rhythmen werden fortgeführt in You Came A Long Way From St. Louis einer auffälligen Komposition. Der synkopierte Rhythmus und die eingängige Melodie tragen dazu bei, dass sich dieser Titel von allen am stärksten einschleift, auch wenn er außerhalb des Albums eher selten aufgeführt wurde. Man fragt sich, wieso sich nicht längst der eine oder andere Pop- oder Swingsänger dieses Stückes aus der Feder von J.B. Brooks und Bob Russell angenommen hat. Man möchte es nicht für möglich halten, aber eventuell kam einigen die Einsicht, man könne der vorliegenden Interpretation nichts mehr hinzufügen. Urteilen Sie selbst.

Halbzeit, Pause, in einer Revue die Stelle, an der der Vorhang fällt. Und genau in diesem Sinne folgt an dieser Stelle ein kleiner, humorvoller Kommentar aus der Perspektive des Beobachters. Rosie und Bing blicken zurück auf das, was sie bisher musikalisch erlebt haben, und geben einen kleinen Vorgeschmack auf das, was noch kommen soll: Love Won’t Let You Get Away
– natürlich behalten sie recht, denn allenfalls ein hypothetischer Jemand mit sehr wenig Zeit würde an dieser Stelle die Platte zur Seite legen und auf den zweiten Teil verzichten. James Van Heusen hat passenderweise eine Melodie in petto, die eher an ein „Intermission Riff“ erinnert, als an einen wirklichen Song (Reminiszenzen an den großen Stan Kenton beabsicht- igt?). Sammy Cahn gebührt besonderer Dank dafür, dass er mit dem Vers „Seems the world’s as wide as Billy May“ die imposante Erscheinung der Arrangeur-Legende für die Nachwelt verbal in Stein gehauen hat.

Vorhang auf! und weiter mit einem dieser großen Klassiker, die wir im Songbook eines jeden großen Künstlers finden. How About You ist eines der Stücke, die sich bei jeder Aufführung unzählige Vergleiche gefallen lassen müssen. Besonders wichtig ist es, so einem Song Profil zu verleihen, ihn herauszuheben aus der Vielzahl von Aufnahmen und seine Fassung zu der Fassung zu machen, an die man denkt, wenn der Name des Titels fällt. Dafür bedienen sich Crosby-Clooney verschiedener Mittel: Zunächst das brillante Billy-May-Arrangement, das meiner Meinung nach einmal mehr Nelson Riddles Version an Witz und Kunstfertigkeit um Längen übertrifft. Darüber hinaus sorgt die Interpretation als Duett durch Zweistimmigkeit und ein wechselseitiges Zuspielen der Verse für einen hohen Wiedererkennungswert. Als wäre das nicht genug, hat man auch noch die klassischen Lyrics aufgepeppt und den einen oder anderen Gag eingebaut. Nun wissen wir beispielsweise: Rosemary Clooney war ein großer Frank Sinatra-Fan. Im Booklet wird sie gar mit „It was always Bing for dad, Sinatra for me“ zitiert. Außerdem: Hätte El Bingos Popularität als Sänger in späteren Zeiten nachgelassen, hätte er sich als der Welt bester Dean-Martin-Imitator durchschlagen können.

Weiter geht es mit den Klassikern, Brazil steht als nächstes auf dem Programm, ein Stück, dem bereits Frank Sinatra in seinem Bestseller-Album
Come Fly With Me die Ehre gegeben hatte, und die Frage drängt sich auf: Kann Mr. May sich mit dem Arrangement zu diesem Stück selbst übertreffen? Wir hören die ersten Takte der Einleitung (Sie haben richtig gehört, es gibt eine) und merken sofort, dass May hier das einzig Richtige tut, nämlich einen völlig anderen Weg zu gehen als in seinem Arrangement für Frank Sinatra. Die oben erwähnte Unverwechselbarkeit der Darbietung eines Klassikers gebietet es, nicht etwa eigene Arrange- ments im Wege des Recycling mehrfach zu verwenden. Dergleichen kennt man von Nelson Riddle, Billy May lässt sich dazu nicht herab. Er tut gut daran, das Stück nicht schon wieder im harten Swing aufzuführen; diesmal gibt er der Melodie von Ary Barroso den Samba- Rhythmus, den sie verdient, das einzig wahre Arrangement für Brazil, oder präziser „Aquarela do Brasil“. Denken wir an das Stück, existiert in unser aller Bewusstsein nur dieses eine Arrangement, das in leicht abgewandelter Form bis heute und vermutlich noch in alle Ewigkeit verwendet werden wird, weil es schlicht unübertrefflich ist. Gut, dass sich Billy May hier nicht auf das dünne Eis gewagter Experimente gewagt hat; in einigen anderen Fällen ist es schon böse ausgegangen, wenn ein Arrangeur meint, mit Standards kreativ pfuschen zu müssen.
Erwähnenswert sind die neuen Verse, die einerseits die Sache angenehm auflockern, auf der anderen Seite aber auch auf Crosby und Clooney spezifizieren, wieder unter dem Stichwort Unverwechselbarkeit.

Dieser Song bietet auch einmal mehr die Gelegenheit, zu verdeutlichen, wie großartig der Crooner und der Girl Singer harmonieren. Beispielsweise nehmen wir das Intro unter die Lupe, und bemerken erstaunt die Kunstfertigkeit, mit der sich die beiden mit wohldosierten Verzöger- ungen und Beschleunigungen um den Beat herumschleichen. Doch nicht jeder für sich, sondern immer beide zugleich, was eine große Kunst darstellt, wie jeder weiß, der das schon einmal probiert hat. Eine mögliche Technik wäre vielfaches Proben, in Anbetracht von Crosbys Übungsmoral scheidet dies aber von vorneherein vollkommen aus. Also muss es doch Kongenialität gewesen sein, die ihnen zu solcher Harmonie (nicht nur bei diesem Song, nicht nur auf diesem Album) verholfen hat – oder doch ein separater Dirigent für die Vocals, um genau diesen Effekt zu erzielen und uns für Generationen staunen zu lassen? Man weiß es nicht …

Weiter geht es mit den Klassikern, Isle Of Capri steht als nächstes auf dem Programm, ein Stück, dem bereits Frank Sinatra in seinem Bestseller-Album Come Fly With Me die Ehre gegeben hatte, und die Frage drängt sich auf: Kann Mr. May sich mit dem Arrangement zu diesem Stück selbst übertreffen? Er kann! (Hatten Sie von einem Genie anderes erwartet?) Auf die mittlerweile abgedroschenen Saxophon-Schlürfer wird ganz verzichtet, ungefähr zu diesem Zeitpunkt erkennt May, dass Arrangements nicht nur durch einen Markenzeichen-Stempel gut werden, und lässt diesen Image-Kniff mit den 50ern sterben. Stattdessen hören wir zunächst Mandolinen das wohlbekannte „O Sole Mio“ intonieren, womit die Grundstimmung wieder, viel mehr als bei Sinatra, auf Exotik festgelegt wird. Die Mandolinen begleiten uns durch das gesamte Stück, gelegentlich durchbrochen von Marschklängen (Funiculi, Funicula) oder Swing-Fetzen. An diesem Arrangement hätte Dino seine wahre Freude gehabt. Man nehme außerdem mit Bedacht eingesetzte Zweistimmigkeit, und wieder einmal hat man ein viel gespieltes Stück in etwas Besonderes verwandelt.

Die Mandolinenklänge bleiben einmal mehr im nächsten Titel erhalten, dem schwungvollen
Say ‚Si Si’ (Para Vigo Me Voy
). Die Programmreihenfolge ist alles andere als zufällig. Diesmal kommt nun noch Verstärkung von der Gitarren-Fraktion hinzu, und einmal mehr darf sich die Percussion-Gruppe nach Herzenslust austoben, ebenso wie der passionierte Rhumba-Tänzer, den es bei diesem Song wohl kaum auf dem Stuhl halten wird. Wer eine Around the World- Platte macht und Crosby und Clooney im Studio hat, kann auf eine Aufnahme dieses Stückes nicht verzichten.

Nun wird es orientalisch, Bing’s on the road again, diesmal mit Ms. Clooney als Lamour- Ersatz. Und schließlich und endlich swingt May in altbekannter Manier, mit Gongschlag, Xylophon und allem. Stilistisch ist dieses Stück von allen am typischsten im May-Stil arrangiert, was alle Fans von Come Fly With Me besonders freuen wird. Das Urheberteam, Jay Livingston / Ray Evans, ist Musikfreunden ein Begriff. Auch, wenn man mit der Idee des Albums an sich nichts anfangen kann, stellt Calcutta ein Fest für alle Freunde des gepflegten Swing dar. Textlich werden wir dezent aber bestimmt darauf hingewiesen, dass der kleine Ausflug in ferne Länder sich seinem Ende zu neigt. Nach dem obligatorischen Gag auf Kosten von Bob Hope lässt dieser Song einige Stationen der musikalischen Reise Revue passieren. Eigentlich der perfekte Abschluss.

Doch halt: Wie eine überraschende Zugabe kommt Love Won’t Let You Get Away noch
einmal aus dem Nichts und sorgt für einen seltsamen, fast komischen Effekt, der in der Literaturwissenschaft als Dénouement bekannt ist. Eine Art Abschwächung des Höhepunktes mit der berühmten (und unübersetzbaren) Wirkung des Comic Relief (wörtlich: „befreiende Komik“). Kein Konzertschluss, sondern eine Überraschung, unprätentiös und witzig, wie sie
als typisch für Billy May gesehen werden kann: er hört mit dem Zwischenspiel auf, diesmal mit textlichen Abwandlungen. Die Botschaft des Songs passt selbstverständlich auch und gerade an dieser Position des Albums, denn der geneigte Hörer wird versucht sein, die Platte noch einmal umzudrehen und von vorne anzufangen. “So here we go again, caught in love’s undertoe again, latching onto that glow again … Love won’t let us get away.“

Diese Schlussworte, die eigentlich keinen Schluss, sondern einen Neuanfang bezeichnen, gelten damals wie heute unverändert. Wer sich einmal in Fancy Meeting You Here verliebt
hat, kommt immer wieder darauf zurück, auch nach Jahren und Jahrzehnten. Das Jahrhundert- Album wirkt unberührt von den Spuren der Zeit. Die in allen Bereichen außerordentlich qualität- volle Arbeit setzt heute noch Maßstäbe für Swing / Big Band Songs generell, im Bereich der Arrangementkunst und kann als Leitfaden für die meisterhafte Ausführung von Duetten gesehen werden.

Wie ich schon eingangs sagte, mit Fancy Meeting You Here haben Billy May, Rosemary Clooney und Bing Crosby einen Meilenstein der gehobenen Populärmusik geschaffen, der seinesgleichen sucht und aufgrund seiner zeitlosen Frische auch noch in hundert Jahren
(oder mehr) nicht in Vergessenheit geraten wird.
Diamonds are forever.

Je mehr Zeit Sie vergehen lassen, ohne dieses Album zu kennen, umso mehr werden
Sie später bereuen, sich nicht früher auf Fancy Meeting You Here eingelassen zu haben.
Derzeit ist eine US-Importversion von BMG bluebird erhältlich, auf der außer den Original Album Tracks noch zwei Duette von
Rosemary Clooney und Bob Hope aus dem Folgejahr enthalten sind, sowie einige kurze Live-Versionen der Album-Songs aus der Bing Crosby Show mit
Jo Stafford als Vertretung für Ms. Clooney. Aufgrund des besonderen Stellenwertes dieser Produktion ist nicht damit zu rechnen, dass die Auflage eingestellt wird, aber wir haben schon seltsame Dinge erlebt.

Daher appelliere ich uneingeschränkt an Sie alle, sich dieses Album zu importieren. Sie als Sinatra-Freunde werden sich mit absoluter Sicherheit dem Charme von Fancy Meeting You Here nicht entziehen können. Ich kenne niemanden, der keine Freude am Hören dieses Albums gehabt hätte, selbst unter der stetig sinkenden Zahl derer, die sich sonst nicht für diese Art für Musik begeistern können.  Daran erkennt man die großen musikalischen Monumente: Wirklich exzellent gemachte Musik wirkt auf alle, die damit konfrontiert werden, auf manche mehr als auf andere, aber sie löst in jedem einen bleibenden Eindruck aus, garantiert auch in Ihnen.
Songs
Fancy Meeting You Here
On A Slow Boat To China
I Can’t Get Started
Hindustan
It Happened In Monterey
You Came A Long Way From St. Louis
Love Won’t Let You Get Away
How Abut You
Brazil
Isle Of Capri
Say “Si Si” (Para Vigo Me Voy)
Calcutta
Love Won’t Let You Get Away


Aufgenommen 1958

Arrangeur
Billy May