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“Basically, I'm for anything that gets you through the night - be it prayer, tranquilizers or a bottle of Jack Daniels.”

“Critics don't bother me because if I do badly, I know I'm bad before they even write it. And if I'm good, I know I'm good. I know best about myself, so a critic doesn't anger me.”

“The thing that influenced me most was the way Tommy played his trombone. It was my idea to make my voice work in the same way as a trombone or violin - not sounding like them, but "playing" the voice like those instrument- alists.”
Strangers In The Night
(Text und Komposition: Charles Singleton/Eddie Snyder/Bert Kaempfert)

Aufnahmedatum der von Sinatra im Studio eingesungenen Version:
11. April 1966 (Reprise)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer vermag zu entscheiden, welches Lied bekannter ist - My Way oder Strangers In The Night? Mit welchem der beiden Titel wird der Name des Barden wohl eher in Verbindung gebracht - eine Antwort darauf zu finden, dürfte fast unmöglich sein, es sei denn, man wollte eine weltweite Umfrage starten und dieselbe umständlich und
mit viel Aufwand statistisch auswerten.
My Way mag man aufgrund des allseits und sattsam bekannten Textinhalts in manchen Kreisen vielleicht eher mit Sinatra assoziieren, ein berausch- ender Erfolg war der Song allerdings zumindest in erster Zeit nicht. Ganz anders hingegen verhält es sich bei Strangers In The Night - die Nummer wurde praktisch vom Erscheinungstag weg zu einem der allergrößten kommerziellen Erfolge des Barden, vermutlich sogar zur meist- verkauftetsten Single seiner Laufbahn.

Ganz ähnlich wie auch bei My Way werden das Lied auch Menschen kennen, die sich für Sinatra überhaupt nicht interessieren, ja es mag Leute geben, welche das Lied kennen, aber
die Frage nach dem Interpreten gar nicht zu beantworten wüssten. Derlei kommt vor bei welt- weiten Evergreens, die es an sich haben, nie aus den Spiellisten der Kommerz-Radios zu verschwinden und daher über Generationen und Generationen weitergereicht werden. Die romantische Schalmei dürfte seinerzeit sicherlich so manchem Galan eine außerordentliche Hülfe gewesen sein, wenn es darum zu tun war, seine Angebetete in eine horizontale Position zu verlagern und wer weiß, wie viele heute um die 40-Jährigen ihre Überführung in die stoffliche Existenz schlussendlich zu einem gewissen Teil auch gezielter Hintergrundberieselung mit eben diesem Song verdanken.

Der Jahrhundert-Ohrwurm wurde, was nicht allen geläufig sein und manche vielleicht überrasch- en wird, nicht speziell für Sinatra geschrieben, sondern existierte zunächst einmal nur als Instrumental-Titel für den Soundtrack eines heute zu Recht längst in Vergessenheit geratenen amerikanischen B-Movies der 60er Jahre, geschrieben von Bert Kaempfert, einem zu seiner Zeit recht bekannten Tanzorchesterchef aus deutschen Landen. Der Name Kaempfert wird vermutlich nur den Älteren unter Ihnen noch etwas sagen und wäre er nicht der Komponist dieses Ever- greens, man würde sich heutzutage vermutlich an seinen Namen ebensowenig erinnern wie
an den Titel des Films, für den er diese Melodie zu Papier brachte.

Die Melodie schien tauglich als Grundlage für einen Song und so begab es sich, dass zwei Herren names Charles Singleton und Eddie Snyder sich hinsetzten und einen Text zu der Instrumental-Nummer verfassten. Meine Damen und Herren, ich gehe jede Wette mit Ihnen
ein, dass sich heute niemand an die Herren erinnern würde, wären es eben nicht jene beiden gewesen, die sich den Text zu einem der größten Hits aller Zeiten haben einfallen lassen. Seinerzeit wurde Sinatras Büro tagtäglich Song-Material zugestellt, oft auch von völlig unbe- kannten Songschreibern, die sich dadurch den Durchbruch erhofften, das meiste davon landete freilich - ich würde fast sagen: naturgemäß und vermutlich auch ganz zu Recht zerknüllt im Papierkorb.
Strangers In The Night gab man aber offenbar durchaus die Chance, zu einem Erfolg zu werden, weshalb der Song schließlich dem Barden höchstpersönlich zur Prüfung überlassen wurde. Sinatra, einer der größten Interpreten anspruchsvoller, gehobener Unterhalt- ungsmusik, muss innerhalb von nur Sekunden erkannt haben, dass er es hier mit Mist zu tun hatte. Gleichzeitig dürfte er aber auch das große Potenzial dieser massentauglichen Nummer erkannt haben - er stimmte also zu, den Song aufzunehmen.

Als Arrangeur holte man sich Ernie Freeman, der unter Kennern als Sinatras Mann fürs Grobe bekannt ist - war Nelson Riddle arrangier-technisch gesehen ein Florett-Fechter, so liebte es Freeman, den Bihänder zu schwingen. Seinen plakativ-vordergründig auf Effekt abzielenden Arrangements fehlt in aller Regel jede Subtilität, sie sind klotzig, roh und geradewegs barbar- isch. Zudem hatte er die Gewohnheit, nahezu jedes Arrangement mit einem aufdringlichen
Chor zu unterlegen. Vor Strangers In The Night hatte er schon manchen Single-Titel Sinatras arrangiert, oft genug gezwungen modern und eigentlich wenig zu The Voice passend. Für Freeman-Verhältnisse fällt das Arrangement von Strangers In The Night fast schon zurück- haltend aus, wenngleich er es sich an einigen Stellen auch hier durchaus nicht nehmen lässt, das Orchester lospoltern zu lassen. Besonders unerquicklich ist das überhastete Fade-Out
des Songs, welches wirklich jede Sensibilität vermissen lässt.

Sinatras am 11. April 1966 eilig aufgenommene Version (tatsächlich borgte man sich kurzfristig eigentlich für Dean Martin gebuchte Studio-Zeit) von Strangers In The Night wurde sogleich zu einem großen Erfolg und eroberte in kürzester Zeit die Spitze der Billboard-Charts - für Sinatra der erste Nr.1-Erfolg seit vielen Jahren. Sogar der Beatles-Song Paperback Writer musste sich geschlagen geben. Der Erfolg blieb nicht nur auf die USA beschränkt, sondern schwappte auf den Rest der Welt über, in allen wichtigen Hitparaden belegte Strangers In The Night Spitzen- plätze. Der Erfolg war so groß, dass Sinatra sich beeilte, ein gleichnamiges
Album folgen zu lassen. Auch dieses - von Nelson Riddle für seine Verhältnisse recht modern arrangierte - Album wurde zu einem Nr.1-Erfolg für den Barden. Das hastig um den Welthit herumkonstruierte Album mit dem Untertitel The Popular Sinatra Sings For Moderns ist zwar nicht viel mehr als ein musikalischer Schnellschuss ohne viel Tiefgang, aber zumindest streckenweise nicht unan- genehm zu hören. Dennoch bleibt im Rückblick eher unverständlich wie Strangers In The Night gleich drei Grammys gewinnen konnte, darunter sogar für das beste Arrangement. Der Grammy für Sinatra in der Sparte Best Solo Vocal ausgerechnet für ein Lied, welches Sinatra eigentlich völlig unterforderte, wirkt verglichen mit früheren Gesangs-Leistungen des Barden, welche keine Auszeichnungen erhielten, fast wie ein Hohn.

Ungeachtet des großen Erfolges sang Sinatra das Lied bei seinen Konzerten zunächst eher unregelmäßig, bis er es erst gegen Ende seiner Laufbahn, als der Song endgültig Evergreen- Status erreicht hatte, zum fixen Bestandteil seines Repertoires machte. Dies wohl auch im Hinblick darauf, dass der Song nicht nur ungeheuer populär, sondern auch einfach zu singen war, was dem alten, mit Stimmproblemen kämpfenden Barden naturgemäß sehr entgegenkam. Unbedingt erwähnenswert ist die Tatsache, dass Sinatra selbst - ähnlich wie bei My Way - den Song eigentlich gar nicht schätzte und auch auf der Bühne des Öfteren ironische bis regelrecht giftige Bemerkungen einstreute, bevor er den Titel anstimmte. Dauert das Lied schon in der Studio-Version nur knapp zwoeinhalb Minuten, so verkürzte Sinatra es bei Auftritten oft noch zusätzlich und so überspringen Live-Aufnahmen des Songs selten die Zwo-Minuten-Marke - fast so, als wollte Sinatra diese für ihn lästige Pflichtübung so rasch wie möglich hinter sich gebracht wissen. Auch auf Bild- und Tonträgern mit Live-Aufnahmen sind etliche Versionen von Strangers In The Night vertreten:

DVD Concert For The Americas
DVD Sinatra In Japan
VHS The Voice The Event
CD Sinatra 80th Live In Concert
DVD/CD Sinatra New York

Eine - wenn auch nur für den Kenner verständliche - Würdigung des Songs beziehungsweise des Sängers selbst ist in einem französischen Kult-Film der 80er Jahre, nämlich Luc Besson´s Subway enthalten: Ganz am Anfang des Films erscheint folgende Einblendung:

To be is to do - Sokrates
To do is to be - Sartre
Do be do be do - Sinatra

Wertes Publicum, wie hier das aus dem Fade-Out von Strangers In The Night allseits bekannte Do be do be do mit den Erkenntnissen der beiden Philosophen ironischerweise auf eine Stufe gesetzt wird - einfach und rundheraus genial! Der Streifen ist, dies nebenbei bemerkt, nicht nur wegen dieses herrlichen Zitats sondern - nicht nur, aber vor allem - auch durch die Mitwirkung von Mademoiselle Isabelle Adjani sehenswert. Legendär wurde die Szene, in welcher Adjani in prunkvollster Abendrobe die Treppen zur nächtlich leeren U-Bahn hinabsteigt - eine Hommage an die Hollywood-Schinken, in welchen die weiblichen Stars des Öfteren ähnlich gewandet über Show-Treppen schreiten. Der Anblick der damals etwa 25-jährigen Isabelle Adjani ist jedenfalls dermaßen atemberaubend, dass nicht nur in der Film-Szene für eine Sekunde die Zeit still zu stehen scheint - oh göttliche Mademoiselle Adjani! Nach einigen fehlgeschlagenen Versuchen, im amerikanischen Filmgeschäft Fuß zu fassen, wurde es leider zunehmend still um die hoch- talentierte Aktrice, deren Karriere mit preisgekrönten Filmen wie Die Geschichte der Adele H. sowie Die Schwestern Bronte und Ein mörderischer Sommer so überaus vielversprechend begonnen hatte. Madame ist inzwischen Mitte Fünfzig, filmt nur mehr sehr selten und hat bedauerlicherweise rein äußerlich nur mehr wenig mit der sagenhaft bestrickenden Erscheinung ihrer frühen Jahre gemein, hat sich - vor allem um die Hüften - enorm verbreitert, das Antlitz, wiewohl vormals wie von Porzellan, ist nunmehr gedunsen und welk. Nun hat sie sich zwar nicht so weit verändert, dass man sagen würde, Madame Adjani sei nicht mehr wiederzuerkennen, das gerade nicht, meine Damen und Herren. Jedoch: Sie sieht (verglichen mit ihrer früheren Erscheinung) heute aus wie ihre eigene Mutter. Es ist wirklich ein Jammer. Doch mit Ihrer Erlaubnis, meine Damen und Herren, will ich zum Schluss meiner Ausführungen kommen:

In Summe ist Strangers In The Night ein Song, der - aller Ohrwurmqualität zum Trotz - nicht eben zu den künstlerisch wertvollen Arbeiten Sinatras gezählt werden kann. Der Preis des großen Erfolges ist die Tatsache, dass Sinatra in der öffentlichen Meinung eng mit einem Titel verbunden wird, den er persönlich überhaupt nicht schätzte und der für sein Gesamtschaffen auch keineswegs als repräsentativ angesehen werden sollte. Leider wird der Barde so sehr mit My Way und Strangers In The Night assoziiert, dass der künstlerisch unendlich wertvollere Teil seines Schaffens heute oft ins Hintertreffen gerät.


Vokal- und Instrumentalaufnahmen des Titels von anderen Künstlern (Auszug)
Interpret/Album-Titel/Jahr der Aufnahme bzw. Veröffentlichung:


Acoustic Sound Orchestra: Romantic Violin (1995)
Ace Cannon: Misty Sax/Memphis Golden Hits (1967-68)
Petula Clark: My Love 1966)
Engelbert: How To Win Your Love (1967-00)
Cora Frost: Fugu (1998)
Barry Manilow: Manilow Sings Sinatra
Al Martino: Live In Concert
Matt Monro: Original Gold (1961-94)
Fausto Papetti: In A Sentimental Mood
Herbert Rehbein: Music To Sooth That Tiger
RRSO Symphony Orchestra: The Orchestral Frank Sinatra
Andy Williams: In The Arms Of Love/Born Free (1966-67)
One Hundred One Strings: 20 Years Of Beautiful Music (1990)
Gil Ventura: Magic Sax (1996)
Connie Francis: The World Of Connie Francis (1997)
Liberace: Loungin´ With Lee (1998)
Peggy Lee: Sings The Standards (2001)
Vikki Carr: The Magic Of Vikki Carr (2001)
Bert Kaempfert: Strangers In The Night (1967)
Erroll Garner: Campus Concert/Feeling Is Believing (1966-70)
Mel Torme: In The Lounge With Mel Torme (1960-66)
Richard Holmes: Misty (1992)
Acker Bilk: More Of The Best (19929
Billy Vaughn: Best Of (1993)
Al Viola: Mello As A Cello (1995)
Richard Clayderman: Träumereien (1977-81)
Horst Jankowski: Eine Schwarzwaldfahrt (1964-68)
Erwin Lehn: Treffpunkt Tanzmusik: (1957-87)
Klaus Wunderlich: Music And Romance



 
Information:

Der Song kann in der Studio-Version auf den folgenden Sinatra-Alben nachgehört werden. Die Aufstellung erhebt jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Strangers In The Night
My Way - The Best
New York New York
The Reprise Collection
Nothing But The Best

Complete Reprise
Studio Recordings

sowie auf zahlreichen anderen aus Reprise-Aufnahmen kompilierten Samplern