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“Basically, I'm for anything that gets you through the night - be it prayer, tranquilizers or a bottle of Jack Daniels.”

“Critics don't bother me because if I do badly, I know I'm bad before they even write it. And if I'm good, I know I'm good. I know best about myself, so a critic doesn't anger me.”

“The thing that influenced me most was the way Tommy played his trombone. It was my idea to make my voice work in the same way as a trombone or violin - not sounding like them, but "playing" the voice like those instrument- alists.”
Sinatra Swings / Swing Along With Me

Rezension zur Verfügung gestellt von Franz X. Huber
Es handelt sich, so viel sei vorab verraten, um meine Lieblingsplatte der Reprise-Ära und, wenn mich nicht alles täuscht, aus dem Gesamtwerk von Ol' Blue Eyes.

Mr. Sinatra befindet sich künstlerisch an der Klimax seiner Fähigkeiten (allenfalls einen kleinen Schritt danach), und seine Freude an der neugewonnenen künstlerischen Freiheit ist nicht zu überhören. Der "Meisterswinger" (einen Zehner in die Wortspielkasse) geht aus sich raus und moduliert bzw. synkopiert nach Belieben vor sich hin, dass es eine wahre Freude ist. Billy Mays überschwängliche (aber eben nicht mehr nur überschwängliche - eine klare Fortent- wicklung gegenüber etwa "Come Dance With Me"), in dieser Phase besonders gewitzte Arrangements tun ein Übriges dazu, den Gesamteindruck des Musterbeispiels für den Swing der Sechziger ins Göttliche zu heben. Was "Songs For Swingin' Lovers" für die Fifties ist "Swing Along With Me" für die Sixties: tonangebend

Die Songs im Einzelnen:

Falling In Love With Love
Mit diesem Klassiker anzufangen ist natürlich ein geschickter Schachzug, die alteinge- sessenen Sinatra-Fans werden es gerne gehört haben. Das Neue daran ist der konsequente, nicht zurückhaltende Swing. Der Beat ist noch verhältnisweise gemäßigt, der Flöteneingang lässt sogar ein bisschen an Riddle denken. Die Bläsereinsätze machen aber im Verlaufe der Nummer klar, dass Billy May am Drücker ist, und dass er in den kommenden Minuten mehr
vor hat.

The Curse Of An Aching Heart
... und wie! Spätestens hier dürften die Freunde der Blasmusik mit einem Schlag realisieren, dass die Zeiten des verspielten Salon- Swing zumindest auf diesem Album nicht vordergründig hochgehalten werden. Das Tempo wird deutlich angezogen (wäre das nicht fast schon "Jump Tune" auf der Tanzfläche, oder verwechsle ich da etwas?) und auch Sinatra zeigt sich thematisch diesmal nicht als der Frischverliebte, der aus Freude in einen lockeren Swinger verfällt, sondern tief enttäuscht und aufbrausend (fast schon paradox angesichts des Überschwangs, aber denken wir nur an Freddie Mercury, der diese schöne Tradition unter anderem in "Living On My Own" weiterführt. Oder Robbie Williams in "Radio". Oder ...)

Don't Cry Joe
Hier haben wir die "Quotenballade". Der Song ist für mich ein ganz großes Meisterwerk. Aus diesem Grund hätte ihn Sinatra auch besser nicht covern sollen. Ich vermisse schmerzlich den Chor und die Klarinetten ... Insofern zu verschmerzen, als dass dieser Song in diesem Rahmen ein großes Publikum erreicht hat und erreichen wird. Allen, die es noch nicht kennen, lege ich das Columbia- Arrangement ans Herz. Dieser Song ist mit Big Band nicht schlecht, aber als Saloon-Song ever so untouchable!

Please Don't Talk About Me When I'm Gone
Billy und Frankie setzen die Geschichte des grimmigen Enttäuschten aus Track 2 in etwas gemäßigterem Tempo, dafür nach wie vor härtestem Swing, fort - in den Breaks auch mit allen Registern. May hat den Saxophonen eine wunderschöne Nebenmelodie und einige Soloein- sätze verehrt. Der erste Vers erinnert nach Interpretation und Instrumentation noch sehr an "massiv selbstbeherrschte ernste Worte". Spätestens nach dem Break lässt Sinatra den Tiger raus und schleudert uns die Konsonanten (k, p, t und s) in all ihrer Härte entgegen, besonders wenn er zum zweiten Mal ansetzt: Here's a kiss, I hope that this brings lots of luck to you Persönliches Highlight auf dieser Zusammenstellung (give it to me, Frank)

Love Walked In
Um ein wenig runterzukommen, klein-klein mit feinem walking bass und Stopftrompeten, eine Gershwin-Nummer, mit der man im Grunde nie viel falsch machen kann, sie ins Programm zu nehmen. In diesem "easy" Arrangement aber auch eine Beruhigung für die Hörer, die aus den Fünfzigern noch Riddles "Swing Easy" Arrangements im Ohr haben und bis dahin schon kurz vor dem Herzinfarkt gestanden haben mögen. Ob Nelson ein bisschen neidisch wurde ...?

Granada
Hört man das "sehr spanische" Intro und Sinatras theatralische Interpretation, wird mancher Liebhaber der ernsten Klassik sich freuen, endlich etwas "Anständiges" zu hören. Wir alle haben Mario Lanza oder Al Martino, Fritz Wunderlich oder Helmut Lotti (damit dürfte für jeden mindestens einer dabei sein) vor unserem geistigen Ohr, die die Stimmbänder bis zum Anschlag mit dieser Arie strapazieren. Doch die Freude währt nur kurz, gerade mal eine Minute, um genauer zu sein. This is swing, after all ... schon vergessen? Ätsch!  Die weiteren Worte lässt sich Sinatra darum auch wie als kleine Provokation ganz besonders lässig quasi aus dem Mund fallen. Ein echter Kracher, auch aufgrund des hohen Bekanntheitsgrades dieser Melodie.

I Never Knew
Ganz einfacher Up-Tempo-Swinger, der durch die virtuose Arrangiertechnik von Meister May schließlich doch mehr als nur Füllsel darstellt (besonders schön, das Solo-Klavier und die raffinierten Vibes). Im Vergleich zum Restprogramm vielleicht eine der schwächereren Nummern (was für eine Konkurrenz), für sich betrachtet aber nichtsdestoweniger Klasse.

Don't Be That Way
Melodisch ungewöhnlich und damit ganz besonders einprägsam. Eine Ballade in Swing-Form, die man gerne auch mal außerhalb des Album-Zusammenhangs auflegt. Dieses Lied wirkt auf Sinatra zugeschnitten und entsprechend treibt er es auch zur Perfektion. Man spürt gerade in dieser Aufnahme seine vielgerühmte Fähigkeit, die Aussage eines Titels zu transportieren. Kontextuell findet sich dieser Song durch die leicht unterwürfige Haltung auch an der richtigen Stelle nach der Frustration von oben.

Moonlight On The Ganges
Ein weiteres Stück aus dem Zyklus "Lieder fremder Völker". Die asiatischen Streicher-
und Percussion-Klänge führen uns zusammen mit den immer wieder gern genommenen Gongschlägen ins ferne Indien. Dieses Stück wirkt wie eine Eigen-Hommage Billy Mays als Reprise zu dem von ihm arrangierten Erfolgsalbum "Come Fly With Me". Seien wir froh, dass es nicht bereits auf dem ersteren Album erschienen ist. Denn, wie schon erwähnt, hat sich
der gute Billy seit Capitol-Tagen fortentwickelt. Diesmal scheint das zu klappen, was er insbesondere bei "On The Road To Mandalay" m. E. nicht hinbekommen hat, nämlich eine Swing-Nummer mit exotischen Klängen zu bereichern, ohne die melodische und rhythmische Spannung rauszunehmen. (Selbst den Schluss setzt er diesmal an eine Stelle, an die er auch hingehört - wahrlich ein großer Fortschritt)

It's A Wonderful World
Ab diesem Titel geht die Grundstimmung des Albums vollständig zu Friede, Freude, Eierkuchen über. Wunderbar, eingängig, innovativ im Arrangement (diese Posaunen ...
einfach schön). Damit ist alles erwähnt, was dieses Lied vermitteln will. Sehr schön.

Have You Met Miss Jones?
Der Klassiker von Rodgers & Hart spielt eine zentrale Rolle in "Swing Along With Me", vielleicht aufgrund seiner geradezu unverschämt relaxten Stimmung? Dank Mister Williams ist er auch bei der jungen Generation in aller Munde, wobei das "neue" Arrangement, sagen wir mal, "starke Anleihen bei Billy May" nimmt. Dass diese Version nahezu unverändert vierzig Jahre übersteht, spricht für die hohe Qualität. Dem ist nicht viel hinzuzufügen, außer ein beherztes Bravo!

You're Nobody 'Til Somebody Loves You
Eine wahre Larger-Than-Life-Nummer, wie es sich für den krönenden Abschluss eines solch furiosen Albums gehört. Dieser Song hat durchaus Signature-Song Qualitäten. Aufgrund meiner noch sehr geringen Kenntnis von Live-Auftritten weiß ich nicht, wie Sinatra dieses Potential für Live-Auftritte ausgereizt hat. Hier kann Sinatra nicht nur Phrasierung sondern in den Höhen auch die Klangqualität seiner goldenen Stimme regelrecht "darstellen".

Die Lyrics sind zwar nicht mehr als eine Aneinanderreihung von "Binsenweisheiten", aber gerade das macht sie so unbeschreiblich berührend. Es schadet in so einem Fall nicht, gerade die "selbstverständlichen" Wahrheiten unseres Lebens explizit darzustellen, denn gerade die sind es, die wir ob ihrer Allgegenwart ab und zu übersehen. Billy May hat sich mit dieser Glanzleistung selbst ein Denkmal gesetzt - von Sinatra gar nicht zu reden (wieder einmal dieses seltene Talent, in die größten Gemeinplätze eine Aufrichtigkeit zu legen, die nicht weniger als ehrfurchtgebietend ist). Nur falls es noch nicht deutlich geworden sein sollte:
Ich liebe dieses Lied!

Und ich liebe dieses Album. Nachdem ich es in seiner Gänze beschrieben habe, möchte ich nun noch ein paar Zeilen dazu verwenden, es mit seinem "Zwilling", dem einige Monate früher erschienenen und allgemein noch höher geschätzten "Ring-A-Ding-Ding" zu vergleichen.

Johnny Mandel (wenn er es tatsächlich selbst war) und seine Kollegen haben sich alle Mühe gegeben und auch ein beachtliches Werk zu Wege gebracht. Der Erfolg war vielleicht deshalb durchschlagender als bei "Swing Along With Me", weil das erste Album beim neuen Label vermutlich sowohl seitens der Medien als auch vom Publikum mit großen Erwartungen beobachtet wurde.

Die Programmauswahl erscheint mir persönlich allerdings etwas "weniger ultimativ" (ich scheue mich, das Wort "uninteressanter" auch nur anzudenken - sie ist immerhin große Klasse), weil teils auf eingängigere Stücke gesetzt wurde ("Ring-A-Ding-Ding", "The Coffee Song"). Die Arrangements tragen die Stücke hundertprozentig, aber sie liefern nicht den May-Überrasch- ungs- Bonus, der die Erwartungen übererfüllt. Mit "In The Still Of The Night" und "You'd Be So Easy To Love" haben wir gleich zwei Porter-Stücke, die an den Stil von "Songs For Swingin' Lovers" anknüpfen und von sich aus gar nicht dieses Potential des Revolutionären, des Einleitens einer neuen Ära, mit sich bringen (wie zum Beispiel "The Curse Of An Aching Heart"). Diese Momente sind auch vorhanden, zum Beispiel in "A Foggy Day", nur lange
nicht so toll ausgereizt wie durch Billy May.

"Ring-A-Ding-Ding" ist nichtsdestoweniger eines der besten Reprise-Swing-Alben, "Swing Along With Me" wird nur oft zu Unrecht in seinen Schatten gestellt. Ich wage zu behaupten, wäre die zeitliche Reihenfolge umgekehrt gewesen, hätte stattdessen "Swing Along With Me" die gebührenden Ehren empfangen. Aber diese Überlegung ist wiederum rein theoretisch,
denn in gewisser Weise kann man auch "Ring-A-Ding-Ding" als unabdingbare vorbereitende Voraussetzung für "Swing Along With Me" betrachten. Eine Kommerz-Revolution braucht in der Regel ihre gemäßigten Vorboten, um überhaupt angenommen zu werden, und Sinatra selbst hat sicherlich die Erfahrungen mit Ring-A-Ding-Ding im Vorfeld in gewinnender Weise bei "Swing Along With Me" eingebracht.

Wann immer ich Sinatra von seiner swingenden Seite zu empfehlen habe, halte ich mich an "Swing Along With Me" und bin mit dieser Wahl immer gut gefahren. Wenn es ein Sinatra- Album mit Eignung für die Ewigkeit gibt (sind sie das nicht alle?), dann glaube ich bei "Swing Along With Me" ganz besonders daran. Dieses Album wird auch in noch einmal 45 Jahren (2051) die Swing-Freunde in aller Welt begeistern. Besser geht's nicht.

Bewertung: hervorragend

Songs
Falling In Love With Love
The Curse Of An Aching Heart
Don´t Cry Joe
Please Don´t Talk About Me
When I´m Gone
Love Walked In
Granada
I Never Knew
Don´t Be That Way
Moonlight On The Ganges
It´s A Wonderful World
Have You Met Miss Jones
You´re Nobody Till Somebody Loves You



Aufgenommen im Mai 1961


Arrangeur

Billy May