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“Basically, I'm for anything that gets you through the night - be it prayer, tranquilizers or a bottle of Jack Daniels.”

“Critics don't bother me because if I do badly, I know I'm bad before they even write it. And if I'm good, I know I'm good. I know best about myself, so a critic doesn't anger me.”

“The thing that influenced me most was the way Tommy played his trombone. It was my idea to make my voice work in the same way as a trombone or violin - not sounding like them, but "playing" the voice like those instrument- alists.”
BING CROSBY
The Complete United Artists Sessions

Rezension zur Verfügung gestellt von F.X. Huber

Das Box Set Bing Crosby: The Complete United Artists Sessions befindet sich bereits seit 1997 im Programm von EMI und ist leider gerade dabei, aus den Katalogen zu verschwinden. Ausgewählte Plattenläden und der einschlägige Versandhandel scheinen aber noch ausreich- ende Kontingente auf Lager zu haben, um dieses einmalige Set im Standard-Programm zu führen (z. B. bei jpc.de).

In diesem speziellen Fall wäre allerdings eine Streichung insoweit zu verschmerzen, als
dass dieselbe Compilation ebenfalls schon vor einigen Jahren bei keinem geringeren als dem renommiertesten Discount-Label Disky die Produktpalette unter dem Titel Beautiful Memories schmückt. Soweit ich unterrichtet bin, soll die Ausstattung den Disky-Verhältnissen angepasst und auf das 20-seitige-Booklet verzichtet worden sein. Unter die Booklet-Autoren reihen sich unter anderem Crosby-Biograph Gary Giddins (A Pocketful Of Dreams), Roy Stevens und Ken Barnes, dazu gibt es einige „Privat-“ und Sessionfotos von Bing aus seinen späten Jahren.

Doch nun zu den Inhalten: Wie der Name schon sagt sind hier auf 64 Tracks sämtliche Aufnahmen zu finden, die Bing Crosby für UA gemacht hat – und das zu einem mehr als fairen Preis unter 20 Euro, in hervorragender Tonqualität. So lange liegen die Siebziger noch nicht zurück und scheinbar haben nicht alle so gepatzt wie Reprise.

Abgesehen von zwei Duetten mit seinem liebsten Sparringspartner Bob „V-Disc“ Hope aus
dem Jahre 1958 und einigen Live-Schnipseln aus dem London Palladium 1976 (co-starring The Crosby Family & Rosemary Clooney) finden sich in der Hauptsache, bunt durchgewürfelt, die vier Studio-Alben, die in den Jahren zwischen 1974 und 1976 für United Artists produziert wurden.

Es ist also der sehr späte Bingo viejo, den wir hier antreffen. Jedoch ist es kein Geheimnis, dass der Ol’ Groaner im Laufe seiner langjährigen Karriere seine Stimme, Technik und Artikulation bis zum jähen Ende kontinuierlich verfeinert hat, so dass er wie reifer Camembert gerade in diesen letzten Jahren am besten zu genießen ist. Ganz im Gegensatz zu Ol’ Blue Eyes hat sich bei ihm auch nicht einmal ansatzweise stimmlicher Verfall bemerkbar gemacht. Wie er das trotz des fleißigen Genusses des einen oder anderen Rauchkrautes geschafft hat, bleibt Bings Geheimnis. Zu hören ist ein Mann, der seinen Frieden mit der Welt und mit sich selbst gemacht hat, und der neben seiner von Anfang an beliebten Wärme in der Stimme („Bing’s voice radiated warmth.“ – Bret Wheadon, sinatraguide.com) nun eine einzigartige Qualität hinzugewonnen hat: eine natürliche Lässigkeit, die ihresgleichen sucht. Ob es nun mehr an der Lebenserfahrung von über siebzig Jahren oder am Haschpfeifchen lag, oder an beidem zusammen, überlasse ich Ihrer Spekulation.



That’s What Life Is All About (1975)

Besonders hervorzuheben sind die beiden Gastspiele des späten Johnny Mercer, Sinatra- wie Crosby-Fans als Songwriter bekannt durch One for My Baby, Ac-cen-tchu-ate the Positive oder On the Atchison, Topeka and the Santa Fe. Crosbys Stimme ist in einer Verfassung, wie sie besser nicht sein könnte, in all ihren differenzierten Feinheiten, die er sich angeeignet hat, herausragend zu beobachten in The Best Things in Life Are Free oder dem Titelsong That’s What Life Is All About.

Unter der musikalischen Leitung von Pete Moore mit seinem Orchester entsteht allgemein
ein eher pop-ähnlicher (nicht: pop-artiger) Sound, der zugleich aber die up-tempo-Stücke hervorragend zum Swingen bringt, die Balladen hingegen (ganz anders als bei Sinatra-Pop) in eine lässig-unbeschwerte Grundstimmung versetzt, die Crosby mehr als nur gut zu Gesicht steht, verkörpert der alte Mann mit dem Fischerhut und dem Pfeifchen sie doch bis ins Letzte. Klassisches Easy Listening, wie es nur in den Siebzigern wirklich gut gemacht wurde. Auch wenn mir die Sinatra-Puristen vermutlich nicht glauben werden, dass das sehr viel Schönes haben kann, lasse ich keine Einwände gelten, solange man sich nicht mindestens durch Breezin’ Along with the Breeze beeindrucken lassen hat.



A Couple Of Song And Dance Men (1976) – Bing Crosby & Fred Astaire

Obwohl ein großer Verkaufsschlager, gefällt mir das Crosby-Astaire-Duett-Album von allen United Artists-Alben am wenigsten. Das liegt nicht etwa daran, dass Crosby schlechte Leistungen abgeliefert hätte, tatsächlich bewegt er stimmlich nahe an seiner Spitzenleistung von That’s What Life Is All About. Auch die Band, wieder Pete Moore, diesmal verstärkt durch die Johnny Evans Singers liefert eine astreine Leistung. Die Arrangements kommen dem traditionalistischen Swing-Liebhaber noch etwas mehr entgegen als noch beim Vorgänger- Album, die Easy Listening-Elemente wurden, passend zur klassischen Show-Tune-Songaus- wahl, drastisch zurückgeschraubt.

Alles wunderschön anzuhören, wäre da nicht dieser Mr. Astaire. Er mag der bedeutendste Tänzer des vergangenen Jahrhunderts gewesen sein, er konnte aber einfach nicht singen. Und damit meine ich nicht einen verzeihlichen Mangel an technischen Finessen bei Showstars, die sich auch am Gesang versuchen, wie etwa Gene Kelly. Nein, der feine Herr hat überhaupt keine Stimme. Ohne ihn wäre es eine hochkarätige Scheibe mit ansehnlichem Programm für den alten Bing geworden; das macht die Sache noch unerträglicher. Man möchte die gut gewählten, schön arrangierten Songs mit Bing genießen und leidet unter dem Dazwischen- funken von Astaire. Schade, dass Bing sie nicht alleine gemacht hat („In us you see a couple of song and dance men“ hätte solo einen etwas seltsamen Touch erhalten, das gebe ich zu, aber immer noch besser).

Ein Segen, dass Bing zumindest sein letztes Lied, eine leider im Vergleich zum Rest des Albums recht flach arrangierte Interpretation von Change Partners, alleine singen darf. Auf
der Original-LP befindet sich noch ein zwölfter Song
, Easy to Remember in einer Fred- Astaire-Solo-Version. Die EMI-Produzenten hatten konsequenterweise ein Einsehen und
haben uns diese Sternstunde des Showbusiness in der 3 CD Crosby Box erspart.



At My Time Of Life (1976)

Die Trackliste zeigt es auf den ersten Blick: Hier haben wir ein Retrospektiv-Album vor uns. Crosby wagt sich an die Klassiker – abgesehen von How Are Things in Glocca Morra und Razzle Dazzle sind das alles ganz große Nummern.

Musikalische Leitung: Pete Moore (never change a winning team) und eine stilistische Eigenart, die weder reinrassiger Swing noch Easy Listening oder Pop ist, sondern ein wahres Kunstwerk. Allein die Arrangements sind es wert, von Kennern der Stücke gehört zu werden – sie erstrahlen in einem ganz neuen, durchaus gewagten Licht.

Mr. Crosby ist auf diesem Album wiederum noch cooler, noch lässiger als in allen vorigen. Ja, es ist noch eine Steigerung möglich. Allerdings treibt Bing es damit diesmal so weit, dass er durchweg etwas teilnahmslos, fast schon müde klingt. Dahinter kann auch interpretatorische Absicht gesteckt haben, aber das muss man nicht unterstellen. Technisch ist er immer noch und immer wieder (in seiner Spätphase) über jeden Zweifel erhaben, aber es fehlt etwas der Biss, das Rüberbringen der Message. Vielleicht etwas zu viel gechillt – gerade die Balladen gehen dann nicht mehr so unter die Haut, wie wir es gewöhnt sind.

Dennoch, bei den Swingern, wenn man sie in diesem Gewand noch so nennen kann, wirkt
Bing mit seiner Über-Lässigkeit unsterblich. Im Zusammenwirken mit den neuartigen Arrange- ments kann auch die neue coole Interpretation viel dazu beitragen, dass man diese Songs so noch nie zuvor gehört hat. Bestes Beispiel ist der Klassiker Hello Dolly, normalerweise ein Von-Den-Sitzen-Reißer, wie er im Buche steht, bei Crosby hingegen dank seiner fast schon
an Reggae erinnernden Rhythmik und der fast schon gesprochenen Interpretation mit dieser uuuuuunglaublich sonoren Stimme „ever so untouchable“ im allerbesten Sinne. With A Song
In My Heart
in einer sehr sparsam arrangierten Bass-und-E-Gitarre-Fassung strahlt einen ähnlichen unvergleichlichen Charme aus, der mit Worten niemandem erklärt werden kann, der es nicht gehört hat.

Spezielle Empfehlung an Holger: Cabaret (ohne Liza Minnelli) – man kann diesem Song eine neue Facette abgewinnen, indem man ihn ähnlich wie Hello Dolly bis über die Grenze des eigentlich Verbotenen ins Lässige zieht.Dann wäre da noch der ultimative Crosby-Anspieltipp Thou Swell, arrangiert für Flöten und Cembalo aber alles andere als barock-romantisch. Besser geht’s nicht.

Bei den Balladen hingegen wirkt sich die Coolness wie schon erwähnt nicht durchweg positiv aus. Send in the Clowns steht deutlich hinter Sinatras zurück, Something to Remember You By lässt sogar im Entferntesten Langeweile aufkommen, aber die hochinteressanten Arrange- ments und Crosbys zumindest technisch musterhafte Ausführung reißen interpretatorische Schwächen ganz gut wieder raus. Mit seinen Highlights of Coolness hat dieses Album sich zu meinem Lieblingsalbum unter den vieren entwickelt (ich gebe zu, dass ich es erst im Laufe der Zeit immer mehr und mehr lieben gelernt habe), es ist von allen auch am profilschärfsten und: Standards sind einfach Standards, an solchen Klassikern in diesem exzellenten neuen Gewand kann man sich nicht satt hören.



Beautiful Memories (1976)

Zu guter Letzt: Bing Crosby, der Pop-Balladen-Sänger. Aufgrund seines müden / coolen Zustandes nicht viel Herausragendes dabei, aber dennoch solide Arbeit. Immer mit noch Pete Moore, diesmal allerdings mit relativ nichtssagenden Titeln. Könnte eine schöne Sache sein, sich in späteren Zeiten in sie zu verlieben.

Auf jeden Fall um Klassen besser als Sinatras-Pop-Balladen. Crosby stand, wie schon mehrfach erwähnt, der Pop eben auch gut. Im Gegensatz zu
Ol’ Blue Eyes Is Back landet diese Platte tatsächlich ab und zu in meiner Stereoanlage. Eingängig, hörbar. Man wird dadurch vielleicht nicht unbedingt zum Crosby-Fan, aber man findet auch keine echten Kritikpunkte außer fehlendem Biss.

When a Child is Born dürfte dem einen oder anderen noch als Weihnachtslied in Erinnerung sein, Crosby zeigt, dass es auch anders verstanden werden kann. Come Share the Wine ist eine (seichte) Adaption von Udo Jürgens’ Griechischer Wein, fügt sich aber nahtlos in den Charakter des Albums ein. Einsames Highlight und Anspieltipp: We’ve Only Just Begun.

Dieses letzte United Artists Album wäre wohl kein Grund, sich die Collection zuzulegen. Die anderen drei sprechen aber deutlich dafür. Erstens sind sie dem Einsteiger zu empfehlen, der Crosby von seiner unproblematischsten, zugänglichsten und raffiniertesten Seite kennen lernen will. Zweitens bilden sie als Experimente zwischen Modern-70s-Pop und klassischem gehobenen Pop à la Great American Songbooks charakterlich einzigartige Meilensteine der Musikgeschichte. Drittens sind sie besonders für den Sinatra-Fan deshalb von Interesse, weil gerade die UA-Aufnahmen die Qualitäten an Crosby aufzeigen, die ihn am meisten von Sinatra unterschieden haben. Und weil sie die Tatsache belegen, dass gerade auch große Künstler durchaus „mit der Zeit“ gehen können, ohne dass es zum Desaster wird. Warum es bei Sinatra nicht gut geklappt hat, ist eine andere beitragsfüllende Geschichte.

Bei Crosby jedenfalls haben sich die Experimente gelohnt. Wer weiß, was noch alles dabei herausgekommen wäre, wenn ihm nicht sein Tod dazwischen gekommen wäre. Man kann sagen, dass er auf dem Gipfel seiner musikalischen und technischen Entwicklung aufgehört hat, und das ist für einen Mann seines Alters doch ein erstaunlicher Verlauf. Wenn das Sprichwort You can’t teach an old dog new tricks tatsächlich stimmt, war Bing Crosby die Ausnahme von der Regel – erstaunlicherweise wird diese Weiterentwicklung gerade in seinem Fall von der Öffentlichkeit fast nicht zur Kenntnis genommen, da die vielen großen alten Hits bis heute (zu Recht) sehr hohe Schatten werfen. Auch wenn vielfach geleugnet, die Präsenz von Bing in den 30ern, 40ern und 50ern ist immer noch vorhanden und schwebt über allem wie ein Fluch und Segen. Aufgrund Bings steigender Leistungskurve darf aber auch und gerade der späte Crosby nicht vernachlässigt werden.

Man würde sich wünschen, dass gerade heutzutage mehr Künstler den Mut zur stilsicheren Veränderung hätten und nicht von Kommerz und Fans getrieben ewig den Schatten ihrer früheren Erfolge und ihrem eigenen Image von einst nachjagen würden.

Und noch etwas: Kein Sinatra-Fan kann es sich leisten, auf die Erkenntnisse zu verzichten, die ihm diese Aufnahmen liefern. Das Senioren-Image wird Bing Crosbys Musik bei weitem nicht gerecht, und die vorgestellte Kollektion kann und wird einen Beitrag dazu leisten, dass Ihnen der Bingle in einem neuen, differenzierteren Licht erscheint. Nicht entgehen lassen – solange sie noch auf dem Markt ist.

Songs

That’s What Life Is All About

(1975)

The Pleasure of Your Company/
Roamin’ In The Gloamin’
Good Companions / And Points Beyond
That's What Life is All About
I Love to Dance Like They Used to Dance
The Good Old Times
The Best Things in Life Are Free
No Time at All
Bon Vivant
Some Sunny Day
Breezing Along with the Breeze
Have a Nice Day




A Couple Of Song And
Dance  Men

(1976)

Sing
How Lucky Can You Get
In the Cool of the Evening
Pick Yourself Up
A Couple of Song and Dance Men
The Entertainer
Roxie
Top Billing
Spring Spring Spring
I've a Shooting Box in Scotland
Change Partners




At My Time Of Life
(1976)

I'll Never Fall in Love Again
I Got Rhythm
Heat Wave
My Heart Stood Still
How Are Things in Glocca Morra
Something to Remember You By
Hello Dolly
Looking at You
Cabaret
Thou Swell
Razzle Dazzle
Send in the Clowns
With a Song in My Heart
At My Time of Life



Beautiful Memories
(1976)

The Only Way to Go
Children
When a Child is Born
What I Did for Love
The More I See You
Déjà vu
My Resistance is Low
A Little Love and Understanding
The Woman on Your Arm
Come Share the Wine
We've Only Just Begun
Beautiful Memories